1917 -
Leipzig
: Klinkhardt
- Autor: Jentzsch, Walther, Holdegel, Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Der Sprecher zog tief den Hut und winkte den andern zu: „Unser gnädiger
Herr und die gnädige Herrin und die jungen gnädigen Herren — daß sie
leben hoch!"
„hoch, hoch, hoch!" ,
Dieser Huf hatte mehr Kraft; er schmetterte so laut, daß das .,Niecn zyje
Polska" 1), das plötzlich verstohlen von der hintersten Reihe her erklang, nicht
das Ghr des Herrn erreichte. —' —
Aus: „Das schlafende Heer" von Clara viebig.
Verlag Egon Fleische! & To. Berlin 1908.
14. Lodz, der deutsche Vorort in Polen.
In den nördlichsten Ausläufern der Karpathen, die sich bis in das herz
Polens erstrecken, liegt Lodz, sozusagen auf der Wasserscheide zwischen Gder
und Weichsel. Der Fremde macht sich vom sarmatischen Tiesland ein falsches
Bild, wenn er darunter ein durchweg flaches Gebiet von Tischplattencharakter
versteht. Der Raum zwischen Tschenstochau, Lodz und Sandomir stellt ein
mit der Spitze nach Norden gekehrtes, über 200 m hohes gewelltes Dreieck dar,
das südöstlich in der Lysa (Bora bis zu 612 m ansteigt. In früheren Zeiten
war das Land wald- und sumpfreich, heute erscheint es ziemlich öde, da die
Russen nach den verschiedenen polnischen Erhebungen die alten Forste ver-
nichteten, um den Kufständischen die Zuflucht in die für Truppen schwer zu-
gänglichen Wälder zu nehmen. Der Name „Lodz" deutet auf ein größeres
Gewässer (Lodia) hin, über das hier eine Fähre führte. Gegenwärtig herrscht
aber derartiger Wassermangel, daß die Textilindustrie zu kostspieligen Tief-
bohrungen greifen muß, um das für sie unentbehrliche Naß zu erhalten.
Wundersam ist es überhaupt, wie sich gerade an dieser Stelle einer der
mächtigsten Industrieorte entwickeln konnte, für den doch so gut wie jede vor-
bedingung fehlte, vor allem liegt Lodz abseits der Hauptverkehrswege,- die
Warschau—wienerbahn, die älteste Linie von Bedeutung in Nussisch-Polen, führt
viele Kilometer östlich von der zweiten Stadt des Weichselgouvernements vor-
über. Erst der regen Unternehmungslust deutscher Fabrikanten gelang es, im
Jahre 1866 durch Erbauung der Strecke Lodz—koluschki einen Anschluß an das
Schienennetz Europas herzustellen,- im Jahre 1902 wurde die Warschau—
Kalischer Lahn eröffnet, die die Stadt der deutschen Grenze näher gebracht hat.
Ein Blick auf die Entwicklung von Lodz ist äußerst interessant und lehr-
reich, für uns Deutsche geradezu erhebend, denn unseren Volksgenossen allein
verdankt der Grt seinen Kufschwung, der nur in dem Werdegang Thikagos ein
ähnliches Seitenstück findet. Jahrhundertelang war Lodz eine unansehnliche
Ansiedelung, dann eines der vielen berüchtigten polnischen Kleinstädtchen ge-
wesen,- als es 1793 bei der zweiten Teilung des Königreiches an Preußen fiel,
zählte es 190 Einwohner. Nach dem Wiener Kongresse wurde es russisch. Die
neue Negierung, der die erfolgreiche Tätigkeit deutscher Bürger und Arbeiter
bekannt war, reihte am 18. September 1820 den Grt unter die Fabrikstädte
ein und forderte Fabrikanten und Handwerker in Schlesien, Sachsen und Deutsch-
böhmen auf, sich hier niederzulassen. Da die Bedingungen äußerst günstig
waren — billiger Bodenzins, unentgeltliche Lieferung von Bauholz, mehrjährige
Steuerfreiheit, kein Nulitärdienstzwang, verbot der Iudenzuwanderung —
„(Es lebe Polen!"