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1. Rußland, Nord- u. Mittelamerika, Südamerika - S. 47

1917 - Leipzig : Klinkhardt
Sarpinkafabrikanten, um sich Arbeit geben zu lassen. Die Sarpinkafirmen haben ihre Zettelstuben fast in jedem Dorfe. Große Familien arbeiten an 3—4 Webstühlen. Damit verdienen sie soviel, daß sie ihren Unterhalt be- zahle» können und nicht gezwungen sind, ihr Koni gleich im herbst zu ver- kaufen. Sarpinfca — der Name kommt von der herrenhuter Kolonie Sarepta — ist ein leichter Baumwollstoff, ähnlich wie Seide und wird ausschließlich im Sommer getragen. Neben der Weberei verstehen sich die Kolonisten auch noch auf landwirtschaftliche Maschinen. Außerdem werden noch Spinnräder, Feuer- spritzen, Messer, Gabeln geliefert. Die Kolonie Goloi Karamysch hat an- sehnliche Färbereien und Gerbereien.' Das Land gehört, wie überall im Innern Nußlands, der Gemeinde. Es wird je nach Abmachung in einem Jahr, in drei oder zwölf fahren umgeteilt, und zwar in so viel Teile, als männliche Seelen im Dorfe sind. Nur der hausplatz und der Gemüsegarten bleibt derselbe. „Itter san so und so viel Dusch in der Kolonie," sagen die Lauern. Darum ist es sehr wichtig, daß eine Familie möglichst viele männliche Seelen hat, und wenn sie noch so klein sind. Line, die nur Mädchen hervorbringt, nagt fast am Hungertuch. Die Mädchen er- halten erst, wenn sie arbeitsfähig sind, eine Bedeutung. Ein Knabe bedeutet schon bei seiner Geburt einen bestimmten llbrt. Sobald er geboren ist, läuft der Vater zum Kolonieschreiber und holt ihm eine ,,Dusch". Den Mädchen gibt der Herrgott eine Seele, und das ist alles. Der Knabe bekommt aber noch eine zweite „Seele" — und das ist sein Land. Unter sich leben die Kolonisten wie alle Deutsche nicht sonderlich friedlich. „Es lebt sich hier ganz schön und gut," sagte mir ein alter Kolonist im Kaukasus, „aber mer san so uneinig, so furchtbar uneinig." Dabei verzog sich sein Gesicht in hilflose Falten. Ebenso ist es auch hier. Idenn man einem Kolonisten etwas zu tun zumutet, so sagt er: „Die Gemaa, die Gemaa muß es inachen!" Soll eine wichtige Versammlung abgehalten werden, so stimmt gewiß einer aus Trotz dagegen. „Na, mi wolle nit. Dos war ach frieher nett. Das is unfern Herrgott fiergegriffe. Ich gew Kaan (Topie! Was mach ich mir dras, die kenn a feen, wie sie fittig werden." Auch mit den Schulen geht es drum laugsam. Das Geld will nicht zusammenkommen. Da heißt es immer: „Mer san noch zu arm, mer Kaan es nicht bezahle." Und so schiebt es die eine Generation auf die andere — und sie werden immer ärmer und ärmer, von Jahr zu Jahr. In ihren Sitten sind die Kolonisten vollkommen deutsch geblieben, nur die Volkslieder sind verschwunden. Die Mädchen bekommen einen „Maibaum" zu Pfingsten von ihrem Bräutigam, auch wohl einen „Butzemann", einen Stroh- wisch auf das Dach, wenn sie einen abgewiesen haben. Die gewöhnlichsten Namen siud: Hann Peter, Marie Katherin. Die Namen Hann und Kathrin sind geradezu 'unvermeidlich, jeder trägt sie. Fragt man einen Kolonisten, wie er heißt, so sagt er gewiß: Hann Georg oder Hann Peter, niemals aber seinen Familiennamen. Er nennt ihn erst, w?nn man ihn fragt, wie er sich schreibt. Auch ihren Aberglauben haben sie. Sie glauben noch an hexen. Und es gibt auch welche. Man braucht nur am Karfreitag in die Kirche zu gehen und sich ein Ei von einem schwarzen Huhn in den Busen zu legen — dann kann man sie alle sehen. Den Rücken zum Pastor, sitzen sie da, eine jede einen Zaubergegenstand vor sich, Ofenplatte, Sieb, Kessel usw. — die häßlichen Ge- sichter furchtbar entstellt.
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