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1. Deutschland - S. 194

1886 - Breslau : Hirt
194 C. An deutschen Flüssen. knochige, breitschulterige Gestalten mit blonden Haaren und blauen Augen — erweisen sich als unzweifelhafte Nachkommen des niederdeutschen Stammes. Sie sind die echten, ursprünglichen „Werderauer", die alteingesessenen Bewohner der Niederung und verraten in ihrem Charakter eine große Ähnlichkeit mit den Holländern. Man rühmt ihre Stätigkeit und Ausdauer, ihr Festhalteu am Hergebrachten und ihre Willensstärke. Der deutsche Werderaner war immer ein freier Mann, selbst zu der Zeit, als allenthalben in Europa der Bauernstand in tiefster Knechtschaft lebte. Nur wer im Besitze eines Hofes ist, gilt bei ihm etwas, weshalb alle Tagelöhner und Dienstboten, ja selbst die Handwerker von ihm mit Geringschätzung angesehen werden. Und dennoch behandelt ein wer- derscher „Hofbesitzer" (so nennt sich hier der Bauer am liebsten) sein Gefinde gut und versieht es reichlich mit Speise und Trank. Als Lieblingsgerichte gelten in jener Gegend: graue Erbsen mit Buttermilch oder Speck, gekochtes Span- ferkel, in Sahne aufgeweicht und mit gebackeuen Pflaumen gefüllt, dicker Butter- reis mit Rosinen, ^Buttermilch mit Kartoffeln und roten Rüben, Blut-, Grütze- und Leberwurst, mit Rosinen durcheinandergekocht, und gebratene oder gekochte Fluudern. Zu den meist fehr fettigen Speisen trinkt man „Machandeld. h. mit Zucker verdickten Wacholderschnaps. Seinen Eltern beweist der Werderaner große Ehrerbietung; durch die iunig- sten Bande fühlt er sich mit seinen Geschwistern, selbst mit entfernteren Ver- wandten verbuudeu. Eiu juuger Niederunger, der sich zu verheiraten wünscht, geht selbst auf die Brautwerbung. An einem „Fleischtage", d.h.einem Dienstage oder Donnerstage (an dem das ländliche Gesinde Fleisch zur Mittagskost er- halt), rüstet er sich zu dem wichtigen Gange. Mit dem besten Rocke angethau, besteigt er einen der Hengste seines Vaters und trabt nach der betreffenden Besitzung, in der man über fein Kommen nur leise Andeutungen erhalten hat. In dem Hause, dem fein Befuch gilt, wird er vou niemand willkommen geheißen. Niemand ladet ihn zum Bleiben ein, niemand setzt ihm Speise und Trank vor. Nachdem er mit den Eltern seiner Auserkorenen über gleichgültige Dinge gesprochen, entfernt er sich ebenso still, wie er gekommen. Am nächsten Fleisch- tage erscheint er wieder, und nun muß die Entscheidung, die in erster Linie den Eltern und erst in zweiter dem jungen Mädchen zusteht, falleu. Mag man ihn nicht zum Schwiegersohn, dann ist die Aufnahme dieselbe wie bei feinem ersten Erscheinen, und still zieht er von dannen, um anderswo sein Glück zu versuchen. Ist er dagegen als Freier genehm, dann wird er an der mit einem Kranze geschmückten Hospforte vom festlich gekleideten Hausherrn selbst empfangen. In fchlichten Worten bringt der juuge Mann feine Wer- bung vor, bekommt das Jawort, wird trefflich bewirtet und kehrt am Abend vergnügt nach dem väterlichen Hofe zurück. Am Tage der Verlobung erscheint der Bräutigam im schönsten Wagen, der ihm zur Verfüguug steht. Bei der
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