1887 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Hentschel, Kurt, Märkel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
38. Das Walliser Land.
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wurden. Da aber diese fast neun Zehnteile des Kantons einnehmen, so bleibt
nur wenig Raum für eine Bevölkerung, wenig Land für Brot und Wein übrig,
und fo macht denn das schwachbevölkerte Land, da man außerdem noch auf
unzählige Spuren von Verwüstungen durch Eis und Schnee stößt, fast überall
den Eindruck der Öde.
Naturgemäß drängte sich das gesamte Leben an die große Lebensader,
den Rhone, in dessen Nähe sich die einzige Möglichkeit einer bequemen Straße
darbot. Da aber auch dieser Strom in seinem ganzen Laufe sich durch Jahr-
hunderte als treulosen Freund der Kultur erwiesen und, eiu wilder Zerstörer,
das Oberwallis herab iu Dörfer und Felder eindrang, Taufende von Menschen-
Wohnungen und Menschenleben vernichtete, so darf man nicht staunen, daß
dieser Kanton im ganzen, besonders in feinen Dörfern, den Eindruck der Ver-
Wahrlosung macht, während seine Bevölkerung sich nicht zu ihren Gunsten von
den Nachbarn im Norden, Süden und Westen unterscheidet.
Seine Lage ist aber auch eine gänzlich abgesonderte. Denn so zahlreiche
und berühmte Straßen auch das Land durchschneiden, so waren es eben nur
Straßen, die das Nordland mit dem Südlande verbanden und die dem Wallis
im Laufe der Geschichte als Heerwege wohl mehr Schaden als Nutzen brachten.
Eine eigentliche Kultur ist auf ihnen nicht ins Land gewandert. Große, stolze
Werke aber find diese Straßen, die steil und hoch über die Alpenketten führen.
Und wer über den immer wolkenumlagerteu Simplou fuhr, wird es nicht
glauben wollen, daß er der niedrigste der Walliser Alpenpässe ist. Stolz auch
klingt der Name des Großen St. Bernhard, aber der merkwürdigste und
kühnste Paß ist der über den Mont Cervin, das Matterjoch oder auch
St. Theodulspaß genannt, einer der ältesten und höchsten Gebirgspässe der
Schweiz; er soll seinen Heiligennamen dem Bischos von Sitten, St. Theodul,
verdanken, der ihn im achten Jahrhunderte überschritt und dessen Kapelle einst
die Jochhöhe krönte. Die anderen „Wolkenstege", auf denen das Maultier
im Nebel seinen Weg sucht, sind den Alpenwanderern gar wohl bekannt. Wer
zog nicht über die Grimfel beim Rhonegletscher, oder über Kandergruud
hinauf zur Gemmi und hinab nach Lenk? Wer kennt nicht den Col de
Balme oberhalb Chamonix, den Sanetfch und Rawyl?
So ist das Wallis, trotz all seiner Abgeschlossenheit als ein in die höchsten
Alpen eingebettetes Thal, ein nach allen Seiten offenes Land, und die Päffe
spielen eine Hauptrolle in der Geschichte des Landes, das seiner natürlichen
Festungswerke wegen vielen begehrenswert erschien. Der bequemste Zugang
führt durch die Westpforte, vom Genfer See her. Auf diesem Wege drangen
die Römer ein. Octodurus, das jetzige Martinach, fiel, römische Burgen
erhoben sich an der Dranfe, an den Rhoneusern, und wenn wir heute in Sion
die malerische Burg Valeria bewundern, so ist diese ein Rest aus jener Zeit