1887 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Hentschel, Kurt, Märkel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
46. Wien.
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Stifter Kaiser Max von Mexiko anzusehen ist. Sie wurde 1856 begonnen
und erst 23 Jahre später eingeweiht. Unbestritten ist sie der bedeutendste
Bau, welchen Wien in diesem Jahrhundert entstehen sah.
Außer der Donauregulierung ist als eines der bedeutendsten Unternehmen
die Herstellung der Wasserleitung zu nennen, durch welche das Wasser
mehrerer Alpenqnellen, die in der Nähe des Schneeberges ihren Ursprung haben,
nach Wieu geführt wird. Die Stollen, welche man für die Leitung durch die
Berge graben mußte, die Bogenreihen, auf welchen sie wiederholt tiefe Thäler
überschreitet, find wahrhaft großartig. Das aus einer Entfernung von 140 km
herbeigeholte außerordentlich frische und wohlschmeckende Bergwasser sammelt
sich in mehreren Behältern aus den Höhen nächst Wien und speist von hier-
aus das Röhrennetz der Stadt. Durch diese Leitung aber wird Wien so
reichlich mit Wasser versorgt, daß täglich mehr als 70 1 auf den Kopf kommen.
Der beliebteste Ausflug der Wiener geht nach dem Prater, einem großen
Lustwalde auf der Insel, welche der Donaukanal mit dem Hauptstrome bildet.
Obgleich der Prater im Jahre der Weltansstellung bedeutende Umwandlungen
erfuhr, so hat er doch noch die alte Anziehungskraft behalten. Auf der Prater-
straße (der alten Jägerzeil) gelangt man dahin. Drei Straßen, von dem
Pratersterne ausstrahlend, führen hinein in die grüne Baumwelt. Die 4 km
lange, schnurgerade Hauptallee mit ihrer breiten Fahrstraße, ihren Reit- und
Gehwegen bildet den „Nobelprater", den Sammelplatz für die reiche Welt,
welche über glänzende Wagen und Reitpferde gebietet. In diesem Teile des
Praters findet alljährlich am 1. Mai die prächtige Auffahrt statt, an welcher
sich auch der Hof beteiligt. Die mittlere der 3 Straßen führt nach dem Volks-
oder Wurstelprater, der mit feinen Reitschulen, Schaukeln, Schießstätten, Schau-
buden u. s. w. jederzeit eiue schau- und vergnügungslustige Menge anzieht.
Der Augarten und die aus dem Jahre 1848 bekannte Brigittenau liegen
mit dem Prater auf derselben Donauinsel.
Bei einem so großen Gemeindewesen wie das von Wien verlangen neben
den Lebenden auch die Toten ihre Beachtung. Für letztere ist im Südosten
der Stadt neuerdings der Centralfriedhof angelegt worden, welcher von
so großer Ausdehnung ist, daß man an keiner Stelle desselben sich einen
Gesamtüberblick zu verschaffen vermag.
Dem Bewohner von Wien rühmt man Gutmütigkeit, Höflichkeit und
einen allzeit schlagfertigen Witz nach. Wieviel er auch au den städtischen Zu-
ständen und Einrichtungen zu tadelu findet, fo hängt er doch mit ganzer Liebe
an seinem Wien. Er liebt den behaglichen Lebensgenuß und unternimmt gern
Ausflüge nach den Vororten, wo er die „Henrigenschänken" (in denen es
heurigen, jungen Wein giebt) oder die „Bnschenfchänken" (welche einen grünen
Busch herausgesteckt haben) besucht. Der Tanz geht ihm über alles, und viel-