1887 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Hentschel, Kurt, Märkel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
54. Prag.
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in Prag giebt es, wie überall, viele außerordentlich wohlhabende Familien, die
sich in den schönsten Teilen der Stadt niedergelassen haben. Südlich von der
Josephstadt liegen die Alt- und Neustadt. Der bedeutendste Platz in der ersteren
ist der Ring (Marktplatz). An demselben liegen sich das Rathaus und die Tein-
kirche gegenüber. Die größte Merkwürdigkeit des Rathauses ist die astrono-
mische Uhr, welche vor 400 Jahren verfertigt wurde und nach jedem Stunden-
schlage die 12 Apostel, den Tod und einen krähenden Hahn erscheinen läßt.
Die Teinkirche, welche zwei Haupttürme hat, vou denen jeder wieder mit acht
kleinen Türmen besetzt ist, war lange Zeit die Hanptkirche der Hussiteu. Süd-
lich vom Riuge befindet sich das deutsche Landestheater und das Carolinnm
(die Universität). Auch das umfangreiche Clementinum in der Nähe der Karls-
brücke dient Universitätszwecken. Von der Ausdehnung des letzteren kann man
sich einen Begriff machen, wenn man hört, daß es n. a. zwei Kirchen, sieben
größere und kleinere Höfe und drei Thore enthält. Zu den schönsten Plätzen
Prags gehören die Quais oberhalb und unterhalb der Karlsbrücke auf dem
rechten Ufer. Zugleich hat man von hier aus prächtige Blicke uach der Klein-
feite und dem Hradfchiu. Unterhalb der Karlsbrücke erhebt sich das großartige
Künstlerhaus (Rudolfinum), welches Räume für ein Konservatorium und eiue
Malerakademie, Ausstellungssäle für bildende Künste, einen großen Konzertsaal
u. f. w. enthält und von den prächtigsten Parkanlagen umgeben ist. Wer von
den Bewohnern des rechtsseitigen Prag sich an frischer Luft und Pflanzengrün
erquicken will, findet beides in dem beliebten Stadtparke oder auf den? mit
schönen Baumreihen besetzten Wenzelsplatze oder in den Parkanlagen des Karls-
Platzes, der den größten Platz von Prag bildet.
Sechs Brücken, unter denen sich zwei Eisenbahnbrücken befinden, setzen die
beiden Ufer der Moldau iu Verbindung. Wo die Franzenskettenbrücke über
den Fluß führt, liegen drei Moldauinfeln nahe beisammen. Die größte von
ihnen, die Schützeninsel, dient dieser Brücke als Stützpunkt. Etwas kleiner ist
die Sophieninsel, der Sammelplatz der vornehmen Welt. In der Nähe liegt
auf Altstädter Seite am Ende der Ferdinandsstraße das böhmische National-
theater. Der fast vollendete Ban wurde im Jahre 1881 ein Raub der Flammen,
ist aber jetzt in aller Pracht wieder erstanden. Die älteste und merkwürdigste
der Brücken Prags ist die Karlsbrücke, die unter Karl Iv. begonnen wurde.
Schöne und altertümliche Türme zieren die Enden der Brücke. 28 Bildsäulen
erheben sich zu beiden Seiten aus den Pfeilern derselben. Unter ihnen be^
findet sich die des heiligen Nepomuk, welcher in Böhmen sich eines hohen An-
sehens erfreut und der Sage nach vom König Wenzel in die Moldau gestürzt
wurde. In der Mitte des Monats Mai feiert man diesem Heiligen zu Ehren
in Prag ein achttägiges Fest, das Johannesfest genannt, zu welchem Tausende
von Menschen herbeiströmen. In diesen Tagen ist die Brücke allabendlich von