1887 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Hentschel, Kurt, Märkel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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F. Österreich-Ungarn,
Tafel trügt, auf welcher in deutscher und tschechischer Sprache der Name des
Ortes zu lesen ist. Die an der Dorfftraße spielenden Kinder mit ihren blon-
den Haaren und blauen Augen unterscheiden sich fast nicht von den deutschen
Kindern, deren Blond nur ein wenig dunkler ist. Die Bauernhäuser und
Kalupen (Hütten) liegen zu beiden Seiten der Straße oder im Kreise um
dnen freien Platz herum und sind meist aus ungebrannten Lehmziegeln auf-
geführt. Das mit Stroh gedeckte Dach geht tief herab, fetzt sich auf der einen
Seite fort und überdeckt eine Galerie (Pawlatfche), welche im Sommer der
Familie zun? Aufenthalte dient. Die Ställe und Scheunen liegen vom Wohn-
hause abgesondert. So hübsch wie ein idyllisches deutsches Dorf ist demnach
ein tschechisches Dorf bei weitem nicht. Auf den Geländern der Brücken in
diesen tschechischen Dörfern trifft man in der Regel das Bild des heiligen
Nepomuk, aus Blech geschnitten und mit Ölfarbe angemalt. Die Nachkommen
jener Männer, die einst die Lehren ihres Huß aufgenommen hatten und für
ihren Glauben mutig stritten, sind gnte Katholiken. Ihre Kinder grüßen den
Fremden mit dem echt katholischen Gruße: „Gelobt fei Jesus Christus!" und
küssen ihm nach altflawifcher Sitte die Hand, Eine eigene Volkstracht findet
man bei den tschechischen Bauern nicht, was um so mehr befremden muß, als
andere slawische Stämme (Wenden, mährische Slawen) eine solche haben und
mit großer Zähigkeit daran festhalten.
Tritt man in ein tschechisches Bauernhaus ein, so wird man freundlich
und mit jener Gastlichkeit aufgenommen, die den Slawen im ganzen eigen ist.
„Schon willkommen, küß die Hand!" lautet die Anrede. Es ist drückend heiß
in der Stube, dereu kleine viereckige Fenster durch das überhängende Dach
ganz verfinstert werden. Ein Teller mit Salze erscheint auf dem Tische zu-
gleich mit einem Laibe Brot und einem Messer, und aus der Schenke wird
eine Halbe leidlich guten Bieres herbeigeholt. Mehr ist nicht zu haben. Nur
Kartoffeln und Mehl giebt es noch im Hause. Die Leute felbst lebeu von
fehr einfacher Kost und genießen meist Mehlspeisen. Auch Kartoffelu sind sehr
beliebt. Schnaps vom Dorsjnden und Bier aus der Schenke machen die ge-
wohnlichen Getränke des Bauern aus. Kommt aber die Kirchweihe oder ein
anderes Fest, dann wird von dem sonst üblichen Hungerleben abgewichen; dann
wird der Hühuerhof ausgeschlachtet, und es werden Kolatfchen in staunens-
werter Meitge gebacken. Unter Kolatschen aber versteht man rnnde Kuchen
mit Käsequark, die mit Safran fchön gelb gefärbt fein müssen. Auch Hörnchen
giebt es, sowie Mohnkuchen, die allen slavifchen Völkern eigen sind und sich in
Schlesien als „Mohnstriezel" noch aus der slavifchen Zeit erhalten haben.
Gegen Leute von besserem Stande ist der tschechische Bauer äußerst unter-
würfig. Er zerfließt dem „gnädigen Herrn" gegenüber vor Ergebenheit und
„küßt ihm unterthänigst die Hand". Dieses kriecherische Wesen ist anerzogen.
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