1887 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Hentschel, Kurt, Märkel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
434 K. In Rußland.
niedrigen „Wiesenufer" der linken Seite immer das „Bergufer" der rechten
gegenüber. So hat Simbirsk anf dem rechten Ufer 207 m Meereshöhe, während
dieselbe anf dem linken User nur 22 m betragt. Hinter den schroffen Abhängen
des Bergufers bei Simbirsk breitet sich ein Tafelland ans, welches mit seinen
wogenden Getreidefeldern, seinen zahllosen Dörfern, Landsitzen und Städten
den freundlichsten Eindruck macht. Von Simbirsk an verschwindet jedoch ans
dem rechten Ufer das bebaute Land; die Dörfer werden fettener; hohe, mit
Wald bedeckte Felfen steigen empor und zeigen Thäler und Schluchten, wie sie
am Rheine nicht schöner vorkommen. Eine weite Grasniederung bildet das
linke Ufer von Kasan bis Astrachan. Wenn im Frühjahre und Herbste der
Strom 10 — 15 m steigt, dann wird diese Ebene zu einer großen Wasser-
fläche, welche vou deu hohen Punkten des rechten Ufers ans einen mächtigen
Anblick gewährt. Ist das Waffer wieder zurückgetreten, dann bedeckt sich die
uugeheure Fläche mit dem herrlichsten Grün. In der Gegend von Saratow
erleidet die weite Ebene dnrch den Sandrücken des Obtschei-Syrt („allgemeines
Gebirge") eine kleine Unterbrechung.
Merkwürdig ist die große Schleife, welche die Wolga bei Samara bildet.
Würde der Strom, anstatt den 150 km langen Bogen zu beschreiben, die gerade
Richtung uehmen, so hätte er bloß eine Wegstrecke von 20 km zurückzulegen.
Wenige Werst westlich vom Wolgaknie bei Sarepta fließt der Don. Aber noch
heute verbindet beide Flüffe hier kein Kanal, obgleich die Herstellung eines
folchen zweimal (zuletzt unter Peter dem Großen) versucht wurde. Östlich von
Sarepta liegt der Eltonsee, welcher wegen der bedeutenden Salzschichten, die
seinen Bodeu bedecken, von großer Bedeutung ist. Das Wasser des Sees ent-
hält 29 °/0 Salz und besitzt das größte specifische Gewicht und die größte Trag-
kraft unter allen Gewässern der Erde. Kleine Flüsse und Bäche, die durch Salz-
moräste stießen, habeu dem See, der ganz Europa mit Salz versorgen könnte, seine
bedeutenden Salzmengen zugeführt. Man sprengt bei der Gewinnung des Salzes
die Salzschichten des Sees mit Brechstangen, schaufelt die Stücke heraus, reinigt
sie und läßt sie trocknen. Oberhalb Sarepta teilt sich der Strom, und es beginnt
von hier an ein gewaltiges Jnselirrsal. Mit dem Hauptarme, der bei der eben
genannten Stadt vorüberfließt, geht der östliche Arm (die Achtuba) lange
parallel. Nahe dem Kaspischen See vereinigen sich beide Arme wieder, spalten
sich aber sofort in viele kleine Arme, deren man 72 zählt, und bilden das
Wolgadelta. Zu beiden Seiten desselben zeigt sich die seltsamste Inselwelt,
namentlich im Westen, wo Taufende von Inseln parallel neben einander liegen,
sodaß es scheint, als wäre hier der Boden „mit einem Riesenpfluge gepflügt".
Von Sarepta an fließt die Wolga zwischen öden und traurigen Ufern; unab-
fehbar breitet sich nach beiden Seiten die Steppe (Salzsteppe) aus, die hier
sandig und unfruchtbar ist. Der salzgesättigte Boden kann keine Pflanzen