1885 -
Leipzig
: Fues (R. Reisland)
- Autor: Daniel, Hermann Adalbert, Volz, Berthold
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Staffeln der Alpen.
bäum gedeiht vortrefflich und geht, obwohl weit empfindlicher als
die Obstbäume, nicht selten über die obere Grenze dieses Gürtels noch
hinaus. Im südlichen Tirol, im Veltlin, in Tessin sind die Sommer-
heiß genug, um eine zweite Ernte von Hirse und Buchweizen möglich
zu machen. Mit Ausnahme der schwäbisch-bayrischen Hochebene um-
schlingt den Fuß der Alpen überall ein Kranz von Weinreben: ja
der Weinstock wagt sich in weiten Thälern noch in die folgende
Region und steigt im Rheinthal bis über Chnr, im Eisackthal bis
Briden. Der Wanderer bewundert noch im Dörflein Stalden (834 m)
am Zusammenflusse der beiden Vispbäche nicht nur die schönen Wein-
lauben, die sich über die Straße wölben, sondern auch eiuen mächti-
gen, baumstarken Weinrebenstamm, der sich um den reichlich sprudeln-
den Dorfbrunnen schlingt. Denn nicht nach der Höhe nur, sonderu auch
nach dem untergelagerten Gestein richtet sich die Verbreitung der Pflanzen.
Die Bergregion der unteren Staffeln, durch Seiten-
arme und Vorwerke des Hochgebirges gebildet, bietet eine Fülle der
herrlichsten Naturbilder. „Maiensäße" nennt sie der Volksmund;
denn hierher werden im Mai die Herden zur Weide getrieben. Hier
ist die Region der kräftigen Knltnrwiesen und der Wälder, in denen
auf der Nordseite des Gebirges das Nadelholz (Rottanne und Weiß-
tanne) stärker vertreten ist als das Laubholz. Nur in wenigen
Strichen bilden die zu wenig geschonten Wälder noch zusammenhängende
Reviere. Gewöhnlich steigen sie von breiter, zusammenhängender
Basis an, verteilen, vereinzeln sich höher immer mehr und mehr und
reichen nur in schmalen Streifen, oft unterbrochen und zerpflückt, in
die höhere Region. Je weiter sie hinandringen, desto gewaltthätiger
und sieghafter kämpft das Gebirge selbst gegen sie an. Steile Felsrücken
trennen sie, Schutthalden wehren ihrem Aufstreben, Lawinen brechen
breite Straßen durch sie hiu. Der Wiuter tritt einige Wochen früher
als im Flachlande ein und macht oft schon im Oktober Versuche, die
Region einzuschneien. Von Sonne und Föhn wohl mehrmals ver-
scheucht, haftet endlich doch der Schnee. Das ganze Gelände verliert
die Details seiner Spitzen und Vorsprüuge in den weichen allgemeinen
Formen: das Thal wird eine einförmige glatte Wanne, die Bäche
vereisen, die Wasserfälle erstarren in mächtigen Säulen an der kalten
Felswand; nur hie und da bleibt eine sogenannte Staubecke, wo der
Wiud beständig am Berggrate anstößt, schneefrei. Die wieder steigende
Sonne sucht das Schueelinnen zu zerstücken, ein langsames und müh-
seliges Werk, wenn ihr nicht ein sonst gefährlicher Gesell zu Hilfe
kommt. Vou Afrika und von Westindien her fegt der Föhn, der