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1. Geographische Charakterbilder aus Deutschland (Alpenland, Deutsches Reich und Deutsch-Österreich) - S. 277

1885 - Leipzig : Fues (R. Reisland)
Am St. Nepomukstag in Prag. 277 von Prag. Da wohnen an 9000 Juden in kaum 300 Hänsern zu- sammeugedrängt. Wir treten in eine Gasse ein, die kaum die Breite hat, daß ein Wagen hindurchfahren kann, und deren Tageshelle durch die finstern, hohen, mittelalterlichen Häuser und Spelunken, die sie zusammensetzen, um ein Bedeutendes beeinträchtigt wird. Die meisten Erdgeschosse dieser Häuser bilden Speicher und Gewölbe, die tief in das Innere derselben hineintreten und mit allem möglichen Trödel- kram gefüllt sind. Tausenderlei brauchbare und unbrauchbare Gegeu- stände sind vor die Thüren auf die Gasse geschleppt, um Kauflustige anzulocken. In den höhlenartigen Verließen der Häuser selbst aber sind Schnitt- und andere Waren von billigen Stoffen angehäuft. Dazwischen treibt sich nun eine Bevölkerung umher, die im ganzen und einzelnen mit diesen Umgebungen im vollkommensten Einklänge steht. In großer Menge sind zigeunerhafte Weiber mit verschrumpften Gesichtern vertreten; selten dagegen erblickt man ein frisches Gesicht und eine anmutige Gestalt. Scharen von halbnackten, lumpenbedeckten, sich balgenden Kindern drängen sich überall. Unangeschrieen, nnan- gttastet schreitet fast niemand, am wenigsten aber ein Fremder, durch diese verräucherten Gassen, denn die Bewohner derselben wittern mit natürlichem Instinkt heraus, wer sich aus Neugierde oder aus irgend einem anderen Grunde herverirrt. „Blankes Herrchen", „gnädiges Herrchen", sind Ausdrücke, die man tausendmal an einem Tage hier Zu hören bekommt, und dabei strecken sich die gelben mageren Hände irgend einer Alten von Endor zitternd nach einem Arme oder einer Hand aus, die zufällig in ihren Bereich kommt, um ihreu Eigentümer zu bewegen, sich irgend einen abgelegten Plunder anzusehen, wie er überall in schimmeliger Fülle aufgehäuft liegt. Begierig zeigen auf Fremde lauernde Juden die beiden Hauptmerkwürdigkeiten: die Alt- neuschule, eine sehr alte, durch Lampenqualm im Innern völlig ge- schwärzte Synagoge, und den seit Josephs Ii. Zeit nicht mehr be- nutzten Begräbnisplatz. Tausende von emporragenden, aber in allen möglichen Neigungen zum Horizont stehenden und fallenden, schwarz- grauen, bemoosten, mit hebräischen Charakteren bedeckten Leichensteinen sind von Gesträuch aller Art und Schlingpflanzen überzogen. Nur enge Fußsteige winden sich durch diesen Filz. Der gewaltige Menschenstrom reißt uns westwärts auf die Brücke. Karl Iv. hat 1358 den Grund zu diesem imposanten Bau gelegt, der aber erst 1503 ganz vollendet war. Die Brücke ist 500 m lang, 10 m breit und ruht auf 16 Bogen. Die Geländer sind mit 28 meist stark verwitterten Bildsäulen geschmückt. Ein vergoldetes
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