1885 -
Leipzig
: Fues (R. Reisland)
- Autor: Daniel, Hermann Adalbert, Volz, Berthold
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Der Charakter des deutschen Flachlandes. 329
Die untersten geschichteten Gesteine des Flachlandes, denen das
Diluvium aufgelagert ist, haben auf die Laufrichtung der nieder-
deutschen Flüsse bestimmend eingewirkt. Wo sie noch zu Tage treten,
da haben sie eine nordwestliche Richtung; und dementsprechend haben
die großen Wasseradern des Flachlandes eine Hauptrichtuug vou Süd-
osten nach Nordwesten. Ihre Ufer sind bei dem hier im allgemeinen
vorhandenen lockern Gefüge, bei dem losen Zusammenhange und der
erdigen Beschaffenheit der Bodenbestandteile meist flach, häufig aus-
geschweift und vielfach zerrissen und durchwühlt; sie haben ferner die
Neigung, ihr Bett auf weite Strecken zu versanden, Inseln anzusetzen,
in ihren Mündungsgebieten sich in Arme zu zerteilen.
Die Eintönigkeit des deutschen Flachlandes ist übel berufen; aber
doch bringt schon die Verschiedenheit der Oberfläche Abwechselung her-
vor. Fruchtbare Ebenen, höchstens von den Einschnitten der Flüsse
unterbrochen, bezeichnen das Lehmgebiet. Flache, zuweilen vom Winde
bewegliche, oder mit ausgedehnten, fast schattenlosen Kieferwaldungen
bedeckte Hügel und Steppen charakterisieren das Sandland, über
welches sich zuweilen aus gröberm Kiese bestehende, kegelförmige
Hügel erheben, die in diesen flachen Gegenden fast als Berge oder
Gebirge erscheinen, zumal wenn sie noch mit nordischen Geschiebe-
blöcken bedeckt sind. Der Reichtum an Wald und Wasser in Fluß-
und Seeenform tritt wohlthnend hervor, und die Landrücken der öst-
lichen Gegenden entwickeln in den Durchbruchsstellen landschaftliche
Schönheiten überraschender Art.
Weder im Osten gegen das sarmatische Tiefland hin noch im
Westen gegen das niederländische hin, hat das niederdeutsche Tiefland
eine andere Grenze als die schwarzweißen Grenzpfähle Preußens. In
der Mitte teilt es die Elbe in zwei ungleiche Hälften, welche bei
aller Gemeinschaft des Typus im allgemeinen durch Sondereigentüm-
lichkeiten geschieden sind. Die östliche hat ihre durchziehenden Land-
rücken, ihre Seeenplatte am Meer und Seeenreichtnm im Binnen-
lande, ihren Flugsand, Bruch und Kieferwald; die westliche seeenarme
ihre Heiden und Torfmoore, ihr flaches, fettes Küstengebiet, das gegen
die drohende Meeresflut nur durch Meuschenkunst geschützt wird.
Auch die Bevölkerungsverhältnisse beider Ebenen sind verschieden. Im
Westen sitzen echte, ungemischte Germanen, Sachsen und Friesen; nur
im Südwesten tritt das Mischvolk der Wallonen auf. Aus der öst-
lichen Ebene aber sind die nach dem Abzüge der Germanen in den
Zeiten der Völkerwanderung bis zur Elbe vorgedrungenen Slawen
noch nicht wieder in ihre alten Grenzen zurückgewiesen, so daß sie