1904 -
Leipzig
: Wachsmuth
- Autor: Weigeldt, Paul
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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die Kraft des Windes und durch Platzregen oder durch Rieselwasser
losgelöst und zu Falle gebracht, sammeln sich die Kreidebrocken
am Fuße der Steilwand in Gestalt von Schuttkegeln und Halden
an, um hier von Regen und Schmelzwasser durchtränkt und breiig
aufgeweicht, bald in Form zähflüssiger Schlammströme, bald in
ausgesetztem Zustande durch Bäche und Regenfälle weiter abwärts
und schließlich dem Meere zugeführt zu werden, dessen Fluten
sie namentlich nach anhaltendem Regen bis auf bedeutende Ent-
fernung hin milchig trübe verfärben (Credner).
Mit dieser Abbröckelung vereinigt sich die Erosionstätigkeit
der von den Höhen der Felswände herabfließenden Tagewasser.
In zahllosen Furchen, von unscheinbaren randlichen und oberfläch-
lichen Einkerbungen an bis zu gewaltigen, tief in das leichter zer-
störbare diluviale Hinterland eingerissenen Schluchten, rinnen und
rieseln sie bei jedem anhaltenden Regengüsse an den Gehängen
und Steilwänden herab, führen teils als Bachtrübe, teils in schlammig-
breiigem Zustande Sand, Mergel und mergeligen Kalkstein mit,
überkleiden die tiefer gelegenen Partien mit krustenartigen Über-
zügen nachträglich verhärtenden Schlammes oder lagern die Massen
am Fuße der Steilufer ab und bedecken mit ihnen oft die ganze
Breite des Vorstrandes, mitunter selbst eine Strecke des Meeres-
bodens.
Durch die allmähliche Vertiefung seiner Rinnsale (Korrasion)
arbeitet das Wasser dem erwähnten Abbröckelungsprozeß in die
Hand. Denn einmal aus ihrem Zusammenhänge gelöste Partien
werden in immer steigendem Maße isoliert und verfallen, von allen
Seiten den Einflüssen der Atmosphärilien ausgesetzt, mehr und mehr
der Verwitterung und Abtragung. Zugleich bereiten sich plötzliche
Abbrüche und Abstürze vor, die sich von Zeit zu Zeit an den ver-
schiedensten Stellen in bald mehr, bald minder gewaltigem Umfange
wiederholen.1) Wie häufig sie sind, lehren die blendendweißen
b Der bedeutendste Absturz im Bereiche der in unserem Bilde dargestellten
Steilküste fand im Jahre 1891 an der Felswand von Klein-Stubbenkammer statt.
Weit erheblicher noch war der anfang der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts
erfolgte Absturz auf der Nordseite des Hohen Ufers nahe dem Kolliker Bach.
Da löste sich eine etwa 50 m lange und 20 m hohe Kreidewand in einer Breite
von 5 bis 6 m von dem Bande des Steilufers los und stürzte mitsamt ihrem
Waldbestande in die Tiefe, zum Teil unmittelbar ins Meer, wo sie noch mehrere
Jahre hindurch eine Insel bildete, die allmählich von den Wellen verschlämmt und
weggewaschen wurde.