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1. Aus Europa - S. 6

1903 - Leipzig : Wachsmuth
— 6 — Den ganzen Raum des jetzigen Marschlandes nahm ursprüng- lich ein weites Haff ein, in das Rhein, Maas und Scheide, sowie die kleineren Flüsse mündeten. Sobald das Flusswasser in dieses Becken eintrat und sich über dessen Spiegel ausbreitete, nahm seine Geschwindigkeit ab, und die mitgeführten Schlammmassen mussten zu Boden fallen. So wurde das Mündungsbecken seichter und seichter, bis endlich die Ablagerungen über den Wasserspiegel emporwuchsen. Durch die Ueberströmungen derselben bei Hoch- wasser und den darauf erfolgenden Niederschlag der mitgeführten Sinkstoffe wurden diese Landstriche höher und höher. Dazwischen strömten die Flüsse, ein- und mehrarmig, bald links, bald rechts ausweichend, und erhöhten nach und nach nicht nur ihr Bett, sondern bei jedem bedeutenderen Steigen ihres Wassers auch ihre ganze Umgebung, die sich immer mehr zusammenschloss. Neben den Sinkstoffen der Flüsse war es — wie in allen Deltagebieten — vegetabilische Tätigkeit, die den Landgewinn förderte. An den zwischen den Stromarmen sich gelegentlich er- haltenden Wasserspiegeln stellte sich das Rohr ein, durchzog mit seinen dicken, kriechenden, schnellwachsenden Wurzeln in tausend Schlangen- windungen den Boden, füllte die muldenartigen Vertiefungen all- mählich mit einem dichten Filze von Wurzelwerk und Moderstoffen aus und machte schliesslich, wenn nicht jedes Hochwasser mehr überströmte, einem üppigen Wiesenwuchse Platz. In sumpfigen Gegenden siedelten sich torfbildende Pflanzen an und wuchsen bald, immer neue Schichten abgestorbener Pflanzenteile unter sich be- grabend, in das Niveau ihrer Umgebung-. So entstanden die aus- gedehnten Grünlandsmoore, die fast das ganze Marschengebiet land- einwärts umgeben, sich aber auch mitten in dem fruchtbaren Schlamm- boden finden. Auch das Meer hat viel zur Entstehung der Marschen bei- getragen. Vor dem festen Lande schlickt es bei seiner geringen Tiefe am Rande und der täglich mehrmals wiederkehrenden ausser- artig gestalteten Blumen. Zum Veilchen muss man sich herablassen, man muss mit ihm intimen Umgang pflegen, um es ganz würdigen zu können. Die nieder- ländische Natur darf man ebensowenig bloss beschauen, man muss in ihr längere Zeit gelebt haben, man muss womöglich in ihr geboren und aufgewachsen sein, um ganz mit ihr vertraut zu werden und die versteckten Eeize an ihr zu ent- decken. Sie ist keine imposante Schönheit, die jedermanns Beifall heischt, sie ist wie die Geliebte, die Graf Egmont in irgend einem Winkel der Vorstadt aufsucht."
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