1903 -
Leipzig
: Wachsmuth
- Autor: Weigeldt, Paul
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
— 40 —
dungsstücke unserer Art; bei jedem Ausgange aber werfen sie über
ihre (Haus-) Kleidung einen weiten ärmellosen Überwurf aus Seide
mit schillernden Farben, der den ganzen Körper, den Kopf inbe-
griffen, bedeckt. Die Füße stecken in eleganten Damenstiefeletten
mit hohen Absätzen. Das Gesicht ist tief verschleiert, um die
Stirn herum geht ein breiter Streifen, wie bei einer Nonne, und
von unten her deckt ein Tuch das Antlitz über den Mund bis her-
auf zur Nase. Somit bleiben nur die Augen mit ihren tiefschwarz
gefärbten Brauen frei, wenn nicht die Verhüllung — wie wir es
bei einer der Damen beobachten können — von durchscheinender
Feinheit ist. Gegen das wenige Sichtbare schützt auch noch ein
(bei jeglichem Wetter aufgespanntes und) klug gerichtetes grell-
farbiges Sonnenschirmchen. Auffallend still und offenbar in der
Absicht, möglichst wenig bemerkt zu werden, gehen die Frauen
ihren Weg.
Da taucht plötzlich ein mißgestalteter, schwarzer Eunuche
auf; laut: guarda („Platz!") rufend, eilt er einer mit Blumen und
Vögel ein bemalten türkischen Equipage vorauf, auf der ein reich-
gekleideter Kutscher und ein Bedienter sitzen, und aus deren
Innerem durch kleine, rundliche Öffnungen, die die Stelle der Fenster
vertreten, vornehme Türkinnen in buntfarbigen seidenen Mänteln
und weißen Schleiern verstohlen hervorlugen. Abendländische
Frauen würden sich bei allem Glanz für die Ehre bedanken, gleich
gekleidet in solchem Kasten spazieren zu fahren. Dicht hinter der
„Equipage" tragen armenische Lastträger an langen Stangen eine
mit Perlmutter und Elfenbein ausgelegte Sänfte, auf deren seidenen
Kissen eine mit Brillanten behängte Dame ruht; zu beiden Seiten
gehen Beduinen, in lang herabfallende weiße Mäntel gehüllt.
Jetzt fesselt ein türkischer Priester unsern Blick. Würdevoll
schreitet er dahin. Über seinem dunkelgelben Leibrock hängt ein
langer hellgelber Talar; schwefelgelbe Pantoffeln, weiße Strümpfe
und ein blendendweißer Turban, in dessen Mitte ein kleiner roter
Fes liegt, vollenden seinen prächtigen Anzug. Um den Turban
hat er noch ein grünes Tuch geschlagen; es ist dies das Zeichen,
daß er die heilige Fahrt nach Mekka schon gemacht hat. An
diesem Türkenpriester in seiner farbenreichen Kleidung eilt jetzt
gerade ein griechisch-orthodoxer Pope mit schwarzem Talar und
hohem schwarzem Barett vorbei, und etliche katholische Nonnen
gehen langsam mit gesenkten Blicken einher. Mit heiserer Stimme