1905 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: Jochen, Max
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
6
die Anschauungen von heimatlichen Gegenständen und Erscheinungen an
sich, sondern auch auf die vielgestaltigen Beziehungen dieser Dinge zu-
einander an. Der Schüler muß begreifen lernen, warum der Dorfbach
nach dieser und nicht nach einer andern Richtung fließt, warum sich die
Bewohner lieber im Tale ansiedeln als auf dem Berge, inwiefern die
Beschäftigung der Leute sich nach der Bodenbeschaffenheit und dem Boden-
erträge richtet.
2. Das formale Ziel. Aus den gewonnenen Anschauungen
sollen die Schüler Begriffe abstrahieren, Urteile bilden und
Schlüsse ziehen lernen.
Mit der Apperzeption allein darf sich die Heimatkunde nicht begnügen,
sonst wäre sie nur Anschauungsunterricht, sie hat auch den Abstraktions-
prozeß in gleicher Weise zu berücksichtigen. Es soll ein bestimmtes
Material gewonnen werden, das aus Begriffen, Urteilen und Schlüssen
besteht, die dem psychischen Standpunkte des Kindes entsprechen. Da gilt
es zunächst, die wesentlichen Merkmale der betrachteten Gegenstände heraus-
zuheben und zusammenzufassen, doch nicht so, daß festgefügte Definitionen
gewonnen werden sollen — diese würden schon wegen ihrer sprachlichen
Fassung nicht von den Kindern behalten werden — das Kind soll viel-
mehr das Begriffliche nur in schlichten Sätzen angeben können. Hat es
einen heimatlichen Berg betrachtet und klare und deutliche Vorstellungen
von ihm erhalten, so wird es mit Leichtigkeit die Urteile merken: Der
Berg hat einen Fuß, einen Abhang und einen Gipfel. Er dacht sich
auf der einen Seite steil, auf der andern allmählich ab. Die Beziehung
der einzelnen Gegenstände zueinander aber nötigt zur Schlußbildung.
Solche Schlußfolgerungen sind: Die Quelle eines Baches muß höher als
die Mündung liegen — wenn die Sonne einen kleinen Bogen am Himmel
zurücklegt, so sind die Tage kurz. Sie müssen auch von Kindern im
3. Schuljahre gezogen werden können. Doch dürfen wir bei dieser
Schulung des Geistes nicht stehen bleiben,- zu ihr muß auch eine gründ-
liche Übung der Sprechwerkzeuge, des Auges und der Hand kommen.
Was das Kind sein geistiges Eigentum nennt, muß es aussprechen und
gewisse Vorstellungen, welche es gewonnen hat, in einfachen Ümrissen
graphisch wiedergeben können,- denn nur von den Dingen und Vorgängen
hat der Mensch eine sichere Anschauung, die er andern mit klaren Sätzen
und mit einer darauf bezüglichen Skizze zu erläutern vermag. Dann wird
es dem Schüler auch leicht werden, sich unter Anleitung des Lehrers
in die heimatliche Wand- und Handkarte zu finden und beim Lesen der-
selben die in der Wirklichkeit gewonnenen Vorstellungen zu reproduzieren.
3. Das ethische Ziel. Durch eine sinnige Betrachtung
der Heimat soll das Heimatgefühl geweckt und gepflegt werden.
Das Kind soll seine Heimat nicht kennen lernen wie einen toten
Gegenstand, den man betrachten, beschreiben und über den man nach-