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1. Theorie und Praxis der Heimatkunde - S. 23

1905 - Leipzig : Wunderlich
23 beistehen, sondern auch sonst bestimmte Arbeiten verrichten und Abgaben zahlen mußten. Man nannte diese Leute Hörige und ihre Dienst- leistungen Fronen. Aus den Hörigen entwickelte sich der Bauernstand. Die Frondienste waren also eine natürliche Folge der damaligen Verhältnisse und für Ritter und Bauern recht und billig. Solange die Gutsherren ein einfaches Leben führten, waren ihre Bedürfnisse gering und die Fronen erträglich. Die Bauern lieferten jährlich etwas Ge- treide, Flachs, Obst, ein Stück Vieh, eine Henne, Eier und andere Er- zeugnisse ihres Besitztums ab. Außerdem verrichtete jeder Mann einige Tage Handarbeit auf dem Rittergute oder leistete eine Anzahl Fuhren bei Bauten und bei anderen Gelegenheiten. Die Bedürfnisse des Adels stiegen aber nach und nach, und die Lehnsherren erhöhten die Abgaben. Die Fronen wurden willkürlich ver- mehrt und oft bis zur größten Härte gesteigert. So wurden die Bauern der niedrigste und gedrückteste Stand im Mittelalter. Ihre Wohnungen waren elende Hütten, aus Lehm und Holz gebaut und mit Stroh ge- deckt. Ihre Speise bestand aus schwarzem Roggenmehl, Haberbrei und gekochten Erbsen und Linsen. Eine Zwilchhose, ein Leinwandkittel und ein Filzhut bildeten die Kleidung. „Nie bxtrften sich die Bauern Ruhe gönnen- denn sie mußten auch die Acker ihrer Gutsherren umsonst mit bestellen und vom Ertrag ihrer eignen Wirtschaft den zehnten Teil an die Herrschaft abliefern. Wollte der Gutsherr einen Hirsch jagen, so wurde die ganze hörige Bauernschaft zum Treiben aufgeboten. Stundenlang mußte sie dann hinter dem Wilde herhetzen und ohne Murren ihre mühsam bestellten Felder zerstampfen und zerwühlen sehen oder gar selbst niedertreten. Wollte oder konnte ein Bauer die Frondienste nicht persönlich leisten, so mußte er eine hohe Geldsumme bezahlen. Auf jede Art und Weise suchte der Ritter von seinen Hörigen Geld zu erpressen. Für jedes Gebäude wurde unter den sonderbarsten Namen ein besonderer Zins gefordert. Geburten, Hochzeiten, Sterbefälle und andere Familienereignisse brachten den Herren viel Geld ein. So war es unter anderem üblich, daß dem Herrn beim Tode eines seiner Bauern das „Beststück", d. h. das beste Stück Vieh aus dessen Stalle, abgeliefert wurde. Jagd, Weide, Fischerei und Holzung, die ehemals frei waren, nahmen die Ritter für sich allein in Anspruch und belegten jeden Eingriff in ihre angemaßten Rechte mit den härtesten Geld-, Freiheits- und Körperstrafen. Meist hatten die Gutsherren auch Recht über Leib und Leben ihrer Hörigen, durften sie schlagen, peitschen, ihnen Hab und Gut nehmen und sie töten lassen. Alle Versuche der Bedrückten, ihr trauriges Los zu bessern, schlugen fehl. Erst durch die wechselnden Verhältnisse in den nächsten Jahrhun- derten, durch den Rückgang der Macht des Adels und die fortschreitende Gesittung wurde auch das Los der Bauern nach und nach besser. Ausführliche Frondienstordnungen, die die beiderseitigen Rechte und Pflich- ten festsetzten, wurden aufgestellt, z. B. 1696 eiue solche in Stenn. Viele
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