1892 -
Halle a.d.S.
: Schroedel
- Autor: Geisel, J.
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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zu besteigen, wenden wir uns Portici zu. Auf breitem Pfade steigen
wir hinan zwischen Reben, die sich um schlanke Pappeln winden und von
Baum zu Baum Laubgewinde aussenden oder Bogengänge bilden. Hier
reift der berühmte Lacrimä Christi; rechts und links schauen die aus Lava
gebauten Hütten der Weinbauer heraus. Aber die Obst- und Weingärten
schwinden mehr und mehr, endlich erscheinen nur noch Piniengruppen wie
Oasen in der Wüste. Der Boden wird grasleer, niedere Taxus, Myrten
und Aloe vertreten die Bäume. Von hier recken sich links die Somma,
rechts der noch thätige Feuerberg in die Bläue des Himmels. Verwitterte
Lavaströme von brauner, grauer, rötlicher, schwarzer Farbe, die bei den
verschiedenen Eruptionen, einer Seitenspalte des Kegels entquellend, sich
die Abhänge des Berges hinabgewälzt haben, Gefilde und Wohnstätten der
Menschen verheerend, bedecken den Boden. Dem Auge begegnet eine
grauenvolle Wüstenei, wo die Laven, wie Schlacken umhergestreut, auf
dem grauen Aschenboden sich wie„ weißlicher Schaum oder vertrocknetes
Moos zeigen. Die schauerliche Öde nimmt zu, indem wir den obersten,
sich schroff erhebenden Teil des Berges, den Aschenkegel, mühsam erklimmen.
Au diesem führt seit einigen Jahren auch eine Zahnradbahn hinauf zu dem
Gipfel, der sich 1200 m über dem Meere erhebt.
e. Der Krater.
Der Krater ist ein ungeheurer, rundlicher Kessel, dessen Rand
10 bis 16 m hoch ist und aus verbranntem Gestein und Asche besteht.
Um den Krater kann man mit großer Vorsicht auf dem ihn umgebenden
schmalen Rande herumgehen, wozu etwa eine Stunde erforderlich ist. Daß
seine Gestalt, sowie die Höhe des ganzen Gipfels bei heftigen Ausbrüchen
stets wechselt, ist natürlich. — Endlich stehen wir auf dem Rande des
Feuerschlundes. Um uns herrscht die Ruhe des Grabes. Wir steigen
hinab in den Feuerschlund, ein Becken von einer halben Stunde
Umfang. Die jüngsten Ausbrüche haben die Seiten tief ausgefurcht zu
Grotten und Felsen von seltsamer Gestalt. Den unteren Boden bildet
eine Lavakruste, welche die Tod und Verderben spendende, unheimliche
Tiefe deckt. Aus ihren regellosen Spalten brodelt meist nur erstickend
heißer Dampf; größere Öffnungen erscheinen als eigentliche Schornsteine.
In der Mitte sieht man einen kleinen Kegel, der 8 bis 10 m hoch
scheint und durch Gestein und Asche, die der Vulkan stets auswirft, ge-
bildet ist. Auf dem Gipfel dieses Kegels ist eine Öffnung, aus welcher
erstickend heißer, schwefelgelblicher Dampf aufwallt; andere kleine Öffnungen
sind daneben. Dunkelrote Lohe flackert hie und da auf; in düsterroter
Kohlenglut sieht man das Gestein des Berges brennen; der Boden ist
bedeutend heiß. Das tiefe Schweigen ringsum wird nicht selten in
längeren und kürzeren Pausen unterbrochen durch unheimliche Stimmen
aus der Tiefe. Bald ertönt ein Brausen, bald ein Gemurmel, bald ein
Stöhnen; bald brüllt der Donner der Erde dumpf wie der Kanonengruß
ferner Meerschisfe, bald tiefer, dumpfer, grauenvoller, wütender; bald ist's
das Getöse hohl zusammenschlagender Felsenberge. „Ein Atemzug der
Stille, und der dichte, graue Dampf, der über der Öffnung des kleinen
Kraters schwebt, rötet sich, rötet sich heißer, glühender, brennender. Ein
breiter Flammen strahl fährt sausend, zischend, rollend empor; ein