1892 -
Halle a.d.S.
: Schroedel
- Autor: Geisel, J.
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Landseite durch einen 8 m breiten, nach allen Seiten zierlich ausgemauerten
tiefen Graben mit dreifacher Festungsmauer dahinter vom Kontinent ab-
geschlossen wird.
3. Bedeutung der Stadt.
Konstantinopel liegt im Kreuzungspunkte vieler, von allen Seiten, von
fern und nah sich heranziehender, natürlicher Wasser- und Landwege. Die
Nord- und Ostwinde in Berbindung mit der neun Monate des Jahres
fast ununterbrochen von N. nach S. in reißender Strömung rollenden
Pontusflut führen ihm die Getreide- und Holzladungen aus den Häfen
der Krim und von den östlichen Küsten des Schwarzes Meeres und der
Mäotis zu, die S.- und W.-Winde bringen die Handelsflotten des Weißen
und des Mittelländischen Meeres, den Reichtum des Archipels und Ägyptens,
die Kunsterzeugnisse der afrikanischen und europäischen Seeküste, während
Karawanen, mit den Gütern des Ostens und Westens befrachtet, aus
Kleinasien und Thracien sich auf den Märkten dieser großen, einzigen
Stapelstadt des Handels dreier Erdteile begegnen. Wo findet man mehr
günstige Momente für einen Welthandelsplatz auf einem Punkte
vereinigt? Ihrer Handelsbedeutung entspricht auch der Kultur-Einfluß
auf das südliche und westliche Europa. Denn in ihre Mauern wurden
nicht nur die litterarischen Schätze des Altertums gerettet, hier wurden auch
antike Technik und Industrie im Flusse erhalten. Auch die bildende
Kunst empfing durch stete Berührung mit den alten Kunst- und Kultur-
stätten fortdauernde Anregung.
4. Landschaftlicher Charakter.
a) Der Norden.
Der geheimnisvolle Reiz von Stambul liegt aber nicht in der Archi-
tektur der Stadt, sondern vielmehr in der wundervollen Gestaltung der
Höhenzüge, die zu beiden Seiten des mäandrischen Stromes die Landschaft
zwischen dem Pontus und dem Goldnen Horn füllen, wie sie, bald rund-
kuppig, bald in langer Schwingung, bald sanft anschwellend, bald straff
und kühn emporstrebend, die launigen Wendungen des ungleich breiten,
aber allzeit voll und tief rauschenden Silberstroms begleiten, mit dem Duft
und Blumenflor der Terrassengärten, mit den dunklen Fruchtbaumgruppen
und ihrem Frühlingsblütenmeere, mit den hochwipfligen Cypressen, der
lustigen Pracht der Pinien und den aus helllaubigem Geschlinge von den
Höhen herabwinkenden Riesenplatanen.
kr) Das Goldne Horn.
Zwischen sanft anschwellenden Hügeln im S. und steilen Höhen im
N. thut sich eine weite Mündung auf, und, von einem unermeßlichen
amphitheatralisch aufsteigenden und hoch herabblickenden Häusergewoge um-
geben, deckt ein dichter Mastenwald mit einem leicht hinfliegenden Gondel-
heer die tief in das Land eindringende stille Wasserfläche. Das ist das
„Goldne Horn des Überflusses" (wegen seiner Form und wegen
des Reichtums an Schiffen und Fischen seit alten Zeiten so genannt). Es
ist weniger ein Seehafen im gewöhnlichen Sinne des Wortes, als ein
schlanker Meerbusen von der niedlichsten Gestaltung und zugleich von solcher