1882 -
Hannover
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Meyer, Johannes
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Hannover
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Hannover
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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und Hüttenmannes auf der einen Seite den Körper, so untergräbt
sie auf der anderen nicht selten die Gesundheit. Die schädlichen
Dünste der Gruben, besonders die tückischen Arsenikdämpfe haben
hier eine eigentümliche Krankheit erzeugt, die sogenannte Hüttenkatze
(Bleikolik), welche den Körper durch Abzehrung oder Lähmung zu
Gruude richtet. Dieses und die fast täglichen Gefahren, welchen
besonders der Bergmann des Harzes ausgesetzt ist, haben jene Fröh-
lichkeit mit einem ernsten, religiösen, nach Innen gekehrten Sinne
vermischt. Diese im Gemüte des Harzers fast unvermittelt neben
einander liegenden Gegensätze offenbaren sich dem beobachtenden Auge
schon in der Gesichtsbildung und äußeren Haltung desselben. Der
kräftige, muskulöse Körper ist meistens mager und fleischlos, das
ovale, regelmäßige Gesicht entbehrt der gesunden Farbe, die Wangen
sind fahl und eingefallen, der ganze Ausdruck des Gesichtes ernst,
ja schwermütig. Unter den Brauen aber blitzen ein Paar feurige,
unruhige Augen hervor, welche mehr zum Lachen als zum Weiueu
aufgelegt scheinen, und der Mund läßt fröhliche Liederweisen ertönen.
Am reinsten und nnvermischtesten haben sich diese Eigentümlichkeiten
auf dem Oberharze entwickelt: doch tritt auch hier da, wo die Berge
sich in die Ebene herabsenken, schon eine Mischung ein, und bald
befindet man sich, wenn man von dem Gebirge nach Norden oder
Westen hinabsteigt, mitten unter der reinen niedersächsischen Bevölke-
rnng des norddeutschen Flachlandes.
Bei dieser finden sich innerhalb der Grenzen des oben ange-
deuteten allgemeinen Volkscharakters mannigfache Abstufungen und
Schattierungen. So ist der Bewohner des Kalenbergschen und
Göttingscheu im allgemeinen regsamer, empfänglicher, weniger abge-
schlössen und Neuerungen mehr zngethan als der Bewohner des
Lünebnrgschen und Osnabrückschen, welcher starrer am Alten hängt
und den gleichmütigen, phlegmatischen, zähen Charakter des Nieder-
sachsen reiner bewahrt hat. Dort ist die Dichtigkeit der Bevölkerung,
der stärkere Verkehr, die größere Menge von Städten, in Göttingen
auch wohl die Zersplitterung des Grundbesitzes nicht ohne Einfluß
aus den Charakter des Volkes gewesen; in der stillen Heide dagegen,
wo Städte und Wirtshäuser fern liegen, wo der Unterhalt und das
Wohlbefinden der Menschen nicht so wie dort einem gefährlichen
Wechsel unterworfen sind, ist das Volk weniger von fremden Ein-
flüffen berührt worden und seiner ursprünglichen Natur treuer
geblieben.
Ein dem niedersächsischen nahe verwandter Stamm sind die
Friesen, welche von den Landesteilen Hannovers Ostfriesland nebst
den Inseln bewohnen und somit den zweiten Hauptbestandteil der
Bevölkerung in Hannover bilden. Gleich allen friesischen Stämmen
neigen sich die Ostfriesen der Demokratie zu: lange haben sie im
Mittelalter ihre alte Freiheit gegen Adel und Geistlichkeit sieg-
reich behauptet. „Freier Stuhl (Gericht) und freie Sprache" galt
Meyer, Die Provinz Hannover. 2