1882 -
Hannover
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Meyer, Johannes
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Hannover
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Hannover
- Geschlecht (WdK): koedukativ
61
während man umgekehrt das Kohlenbrennen in den unzugänglichsten
Bergverstecken vornimmt. Wo man daher in einer ganz entlegenen
Gegend anch sonst kein anderes menschliches Etablissement findet, da
stößt man doch noch aus eine Köhlerhütte.
Im Harze nennt man eine Köhlerbehausung eine „Köte", und
dieselbe ist gemeiniglich folgendermaßen beschaffen: Es ist ein kegel-
förmiges, aus zusammengestellten Baumstämmen konstruiertes und mit
großen Rindenlappen oder Rasenstücken dicht bedecktes Hüttchen. Wie
bei den Indianern Amerikas brennt in der Mitte desselben ein nie
erlöschendes Feuer, um das rund herum an den Wänden die mit Heu-
säckeu gepolsterten Bänke oder Ruhebetten der Bewohner und nebenher
am Eingange ihre kleinen Schränke und Vorratskasten stehen. Dabei
gilt die allgemeine Regel, daß jedesmal die Bank zur rechten des Ein-
gangs für den Herrn oder Meister, die zur linken für seinen ersten und
zweiten Knecht oder seine sogenannten „Hnlpen" bestimmt ist. Auf der
Bauk geradeaus im Hintergrunde der Höhle kauern die kleinen Köhler-
bnbeu oder die sogenannten „Haijungen".
Ein paar Bretter sind vor der Hütte zusammengenagelt, zum
Schutze eines Zottigen, aber treuen Hundes, dem die guten Leute in
ihrer Abwesenheit die Bewachung ihrer Habseligkeiten anvertrauen, und
unten am Bergabhange haben sie ein paar breite Rindeulappen an
Stangen befestigt und ausgespannt, die den Stall für die ihnen so
nötigen Pferde vorstellen. Zuweilen, jedoch selten, meckert auch noch
ein Zicklein daneben im Grase umher.
Das Feuer innerhalb eines großen Meilers so zu leiteu oder, wie
die Köhler sageu, „zu regieren", daß es alle Teile der Masse gleich-
mäßig und eine nach der anderen dnrchhitze, daß es stets bei einer
glimmenden und schwelenden Glut bleibt, daß es nirgends zu einem
flammenden Brande komme, ist eiue Kunst, die den arnteu Köhlermeistern
nicht wenig Kopfzerbrechen verursacht. Trotz aller Vorsicht ist das
Feuer, dies Naturkind, oft eigensinnig und arbeitet sich versteckte Kanäle
und Luftlöcher durch deu dicken, feuchten Erd- und Rasenmantel, mit
dem uian den Meiler bedeckt hatte, und namentlich, wenn der Sturm
ihm die Hand reicht, ist die Gefahr nicht gering, daß die Flammen
herausbrechen und, statt das Holz langsam, wie sie es sollten, in Kohlen
zu verwandeln, es schnell zu Asche verzehren. Ja mitunter, namentlich
wenn das Werk nicht ganz regelrecht und kunstgemäß gebaut war, und
wenn man den entwickelten Dämpfen und Gasen nicht rechtzeitig Luft
gab, zeigt sich der Meiler, wie die Köhler sich ausdrücken, „auf-
rührerifch". Es entstehen in ihm bei überhandnehmender Glut plötzliche
Erschütterungen, sogenannte „Bedungen". Die kolossale Klotzpyramide
wird auf einmal lebendig. Der Meiler schüttelt sich wie ein Pferd,
explodiert mit Lärm und Gekrach, wirft seinen ganzen Erdmantel ab
und lodert plötzlich in hellen Flammen empor. Zuweilen sind bei
solchen Gelegenheiten nicht nur auf des armen Köhlermeisters Kosten