1914 -
Leipzig
: List & von Bressensdorf
- Autor: Ambrosius, Ernst, Hinkel, Philipp
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
84. Mit dem Vizekönig von Ägypten nach der Amonoase (Siwa).
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weder gesehen noch sonst mit ihm in Verkehr gestanden, wußten aber, daß er
sich regelmäßig über unser Vorgehen in der Marius) berichten ließ, und daß er
beabsichtigte, bei nächster Gelegenheit die Grabungen zu besichtigen*). Die
Einladung bedeutete eine ganz außerordentliche Ehrung der beiden dent-
schen Forscher, und mein Vetter, der sofort zur Rücksprache nach Alexandrien
reiste, wurde allenthalben rückhaltlos beglückwünscht. Für ihn wurde die
Sache zu einem großen Opfer. Unter keinen Umständen hätte er selbst die
Ausgrabungen auch nur eine Woche im Stich gelassen, waren doch alle
Vorzeichen der Entdeckung der Menasgruft nahe. So unvermittelt, wie die
Einladung des orientalischen Fürsten, kam auch sein Befehl zur Abreise.
Am 9. Februar nahm ich von meinen: Vetter Abschied, der nun allein
uuter seinen Beduinen in der Wüste verblieb. Der vizekönigliche Zug brachte
mich bis zur damaligen Endstation, wo eine Eskorte mich in achtstündigem
Ritt zum Automobillager — mitten in der Marmarika — entführte. Als
wir dort anlangten, kam mir ein untersetzter, leutseliger Herr im Khaki-
anzng eutgegen, der mir freundlich beim Absteigen half und die Zügel des
Pferdes hielt. Es war kein anderer als Abbas Hilmi Ii., der Vizekönig
von Ägypten. Während des Zuges durch die Wüste war der Khedive nur
von vier Europäern umgeben, darunter sein Leibarzt. Das ganze übrige
Gefolge bestand aus Ägyptern und Arabern. Tagsüber war die endlose
Karawane gewöhnlich uuterwegs, und die Vroviantkarawane eilte einige
Stunden voraus, so daß der Lagerplatz fast regelmäßig fix und fertig an-
getroffen wurde.
Der Khedive interessiert sich wie kaum ein anderer Herrscher für die
Ökonomie seines Landes, vor allem für die Bodenkultur, Viehzucht und
Bewässerung. Er ist der „erste Fellah", der gekrönte Bauer, ein Ehrenname,
den man ihm mit vollem Rechte gegeben.
Der Zug nach dem Amoninm^), nach der geheimnisvollen Oase Siwa
an der Westgrenze seines Reiches war in erster Linie von Handelsinteressen
diktiert. Zwei Fragen standen für den königlichen Unternehmer im Vorder-
gruud: Ist im Bereiche jenes Wüsteneilandes urbar zu machendes Land?
und zweitens lohnte es sich, vom Hafen Mirsa Matrn^) aus eine Zweigbahn
durch die Wüste nach Siwa zu bauen, die den Dattelexport und einen Teil
des afrikanischen Oasenverkehrs an sich ziehen könnte?
*) „Das Ziel der Frankfurter Expedition waren die altchristlichen Ruinenfelder der
Landschaft Kyrenaika mit der Hauptstadt Kyrene im Wilajet Barka. Das geheimnisvolle Land
liegt im östlichen Nordafrika zwischen Mittelmeer, Sahara und Ägypten und ist weniger er-
sorscht als die schwärzesten Gebiete Zentralafrikas und der großen Wüste." — Ammon,
richtiger Amon oder Amun, der ägyptische Name für die Ortsgottheit von Theben, Gott der
Fruchtbarkeit, der Zeugung und des Lichtes. Als Thebens Macht sank, schwand auch die
Macht seines Gottes. Nur in Äthiopien und in den Lasen der Libyschen Wüste hat sich
die bevorzugte Stellung des Amon bis in die griechische und römische Zeit erhalten.
Mariut, Strandsee und Landschaft westlich vom Nildelta.
-) Amoninm, Tempel des Sonnengottes Amon, auch Bezeichnung sür die ganze Oase.
_ 3) Mirsa Matru liegt an der Mittelmeerküste, nordöstlich von der Oase Siwa. Bis
Mirsa Matru fährt jetzt von Alexandrien ans eine Eisenbahn an der Küste entlang.