1914 -
Leipzig
: List & von Bressensdorf
- Autor: Ambrosius, Ernst, Hinkel, Philipp
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
98. Ein Blick vom Tafelberg (Vegetationsbild) 345
und treiben sich, scheinen immerdar von neuem in der Richtung des Windes
herbeizurollen, allein zur großen Verwunderung des Beschauers streifen
sie nicht über den entgegengesetzten Rand der hohen Ebene hinaus, um ihren
Weg in dem freien Räume als Wolken fortzusetzen. Wie ein seine Ufer durch-
brechender See stürzt die kochende Schicht des Gewölkes über die Ränder
des Abgrundes iit Streifen hinab, die der Unerfahrene leicht für Wasserströme
nehmen könnte. Sie verschwinden jedoch, ehe sie die halbe Höhe des Berges
erreicht haben, um andern, schnell folgenden Platz zu machen.
Der höchst eigentümliche Stempel der südafrikanischen Vegetation ist an
den Pflanzen in der nächsten Umgebung der Stadt nicht zu verkennen. In
den ersten Monaten nach dem Aufhören der winterlichen Regen überziehen
sich alle Felsen des Vorgebirges mit Gewächsen, die teils ans tief verbor-
genen Zwiebeln schnell emporwachsen und die glanzvollsten lilienartigen
Blüten entwickeln, teils während der trockenen Zeit entblättert und vergilbt
nicht bemerkt wurden u.ud nun erst entstanden scheinen. Eine reiche Auswahl
von Heiden gefällt sich ausschließlich auf dem sandigen und felsigen Boden.
Die Proteaeee^) mit Silberblättern wächst nur zwischen der Kapstadt und dem
Tafelberge und soll sogar, wie manche glauben, nur eiu eingebürgerter, einst
zufällig verwilderter Fremdling sein. Wie sehr auch diese Vegetation den im
Frühling landenden Europäer überraschen mag, so genügt der durch sie der
Landschaft mitgeteilte Charakter doch wenigen bei längerem Aufenthalte.
Der Boden Südafrikas entbehrt den frisch grünen Rasen und die blumigen
Wiesen der nordischen Welt. Die meisten Pflanzen sind strauchartig; sie
stehen häufiger in Gruppen als verteilt und mit andern vermischt, und so
ergibt sich bei allem Reichtum au Arten doch immer eine gewisse Einförmig-
keit. Zwischen den schönblühenden Büschen und den vereinzelten mit Gräsern
bewachsenen Orten blickt der weiße Sand oder der nackte Fels hervor. In
der trockenen Zeit ist alles verdorrt und bestaubt, und feilt Platz ladet den
ermüdeten Wanderer zum Niedersitzeu ein. Aber der Boden ist überall srncht-
bar, wo irgend vegetabilische Erde in dünnen Schichten sich gebildet hat und
Wasser zu finden ist. Die Gärten der Kapstadt, wo Kunst die Natur unter-
stützt, enthalten die reichste Auswahl von Bäumen fremder Himmelsstriche,
und ihre Schönheit und Frische beweist, daß wenigstens nicht das Klima
allein die Nacktheit vieler Orte der Umgegend bedingt.
Proteaceen, meist Gehölze, fast ausschließlich ani Kap und in Australien, charak-
teristisch für die dortige Flora.