1890 -
Wolfenbüttel
: Zwißler
- Autor: Voges, Theodor
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Braunschweig
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde, Braunschweig
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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33. Heinrich der Löwe.
Zu Braunschweig steht vor der Burg Dankwarderode ne-
den dem Dome das Denkmal eines Löwen aus Erz gegossen.
Nahe dabei bemerkt man in den Steinen der Domthüre selt-
same Vertiefungen, von denen man sagt, ein Löwe habe sie
da eingekratzt. Zudem hing früher über dem Grabmale des
Herzogs Heinrich ein Antilopenhorn, das viele für eines Grei-
fen Klaue ansahen. Davon lautet folgende Sage.
Vor Zeiten zog Herzog Heinrich, der edle Welf, nach Aben-
teuern aus. Als er in einem Schiff das wilde Meer befuhr, erhub
sich ein mächtiger Sturm und verschlug den Herzog; lange Tage
und Nächte irrte er umher, ohne Land zu finden. Bald fing den
Reisenden die Speise an auszugehen, und der Hunger quälte
sie schrecklich. In dieser Not wurde beschlossen, Lose in einen
Hut zu werfen; und wessen Los gezogen ward, der verlor
sein Leben und mufste der andern Mannschaft mit seinem
Fleische zur Nahrung dienen; willig unterwarfen sich diese
Unglücklichen und liefsen sich für den geliebten Herrn und
ihre Gefährten töten. So wurden die übrigen eine Zeit
lang gefristet. Doch schickte es die Vorsehung, dafs niemals
des Herzogs Los herauskam. Aber das Elend wollte kein
Ende nehmen; zuletzt war blofs der Herzog mit einem ein-
zigen Knecht noch auf dem ganzen Schiffe lebendig, und der
schreckliche Hunger hielt nicht stille. Da sprach der Fürst:
„Lafs uns beide losen, und auf wen es fällt, von dem speise
sich der andere.“ Über diese Zumutung erschrak der treue
Knecht, doch dachte er, es würde ihn selbst betreffen, und
liefs es zu. Siehe, da fiel das Los auf seinen edlen, liebens-
werten Herrn, den jetzt der Diener töten sollte. Da sprach
der Knecht: „Das thu’ ich nimmermehr, und wenn alles ver-
loren ist, so habe ich noch ein anderes ausgesonnen; ich will
euch in einen ledernen Sack einnähen, wartet dann, was ge-
schehen wird.“ Der Herzog gab seinen Willen dazu. Der
Knecht nahm die Haut eines Ochsen, den sie vordem auf
dem Schiffe gespeist hatten, wickelte den Herzog darein und
nähte sie zusammen; doch hatte er sein Schwert neben ihn
mit hinein gesteckt. Nicht lange, so kam der Vogel Greif
Vogcs, Bilder. 3