1890 -
Wolfenbüttel
: Zwißler
- Autor: Voges, Theodor
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Braunschweig
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde, Braunschweig
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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auf den Berg zu seinem Herrn, welcher Gott dankte und sich
aufrichtete, um, weil es Abend werden wollte, hinab in die
Stadt Braunschweig zu gehen.
Nach der Burg war sein Gang, und der Löwe folgte ihm
immer nach. Grofses Getöne scholl ihm entgegen. Er wollte
in das Fürstenhaus treten, da wiesen ihn die Diener zurück.
„Was heilst das Getön und Pfeifen“, rief Heinrich aus, „sollte
doch wahr sein, was mir der Teufel gesagt? Und ist ein frem-
der Herr in diesem Haus?“ „Kein fremder“, antwortete man
ihm, „denn er ist unsrer gnädigen Frauen verlobt und be-
kommt heute das braunschweiger Land.“ „So bitte ich“, sagte
der Herzog, „die Braut um einen Trunk "Weins, mein Herz
ist mir ganz matt.“ Da lief einer von den Leuten hinauf zu
der Fürstin und hinterbrachte, dafs ein fremder Gast, dem ein
Löwe folge, um einen Trunk Wein bitten lasse. Die Her-
zogin verwunderte sich, füllte ihm ein Geschirr mit Wein und
sandte es dem Pilgrim. „Wer magst du wohl sein“, sprach
der Diener, „dafs du von diesem edlen Wein zu trinken be-
gehrst, den man allein der Herzogin einschenkt?“ Der Pil-
grim trank, nahm seinen goldenen Hing, warf ihn in den
Becher und hiefs diesen der Braut zurücktragen. Als sie den
King erblickte, worauf des Herzogs Schild und Name geschnit-
ten war, erbleichte sie, stand eilends auf und trat an die Zinne,
um nach dem Fremdling zu schauen. Sie ward des Herrn an-
sichtig, der da mit dem Löwen safs. Darauf liefs sie ihn in den
Saal entbieten und fragen, wie er zu dem Ringe gekommen
wäre, und warum er ihn in den Becher gelegt hätte. „Von
keinem hab' ich ihn bekommen, sondern ihn selbst genommen,
es sind nun länger als sieben Jahre; und den Ring hab’ ich
hingeleget, wo er billig hingehört.“ Als man der Herzogin
diese Antwort hinterbrachte, schaute sie den Fremden an und
fiel vor Freuden zur Erde, weil sie ihren geliebten Gemahl
erkannte; sie bot ihm ihre weifse Hand und hiefs ihn will-
kommen. Da entstand große Freude im ganzen Saal. Herzog
Heinrich setzte sich zu seiner Gemahlin an den Tisch. Dem
jungen Bräutigam aber wurde ein schönes Fräulein aus Fran-
ken angetraut. Hierauf regierte Herzog Heinrich lange und