1890 -
Wolfenbüttel
: Zwißler
- Autor: Voges, Theodor
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Braunschweig
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde, Braunschweig
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Vor dem Herzog lag ein weites, von Strömen durch-
schnittenes, durch Festungen und feindliche Streitscharen
geschirmtes Land. Dennoch gelang das Unglaubliche, weil
des Führers Muth und Todesverachtung sich seinen Genossen
mitteilte und das Volk offen und geheim den Kühnen be-
günstigte. Über Altenburg und Halle, stets bedrängt, sich
durchschlagend, verfolgte er die Strafse nach dem Harze. Mit
jeder Stunde wuchs die Gefahr; denn mit 6000 Mann war der
westfälische General Reubel von Bremen her gegen ihn im
Anzuge, von Erfurt aus setzte sich unter dem General Gratien
eine holländische Heeresabteilung in Bewegung, von Magdeburg
war unter dem Obersten Meyronnet ein westfälisches Linien-
regiment aufgebrochen, um die Strasse nach Braunschweig zu
sperren. Rasch drang Friedrich Wilhelm vorwärts, gerade
auf Halberstadt zu, von welchem Meyronnet mit 3000 Mann
Besitz genommen hatte. Am 29. Juli, sechs Uhr abends,
begann der Angriff. Nach hartem Kampfe waren die Thore
gesprengt und erstürmt, aber auf Plätzen und Strafsen der
Stadt kämpfte man mit gesteigerter Erbitterung bis zur zehnten
Stunde des folgenden Tages. Endlich behauptete der Herzog
als Sieger die Stadt und Meyronnet büfste mit 80 Offizieren
und 2000 Mann durch Gefangenschaft, dafs er dem Welfen
den Weg in sein Erbe verlegt hatte. Von Halberstadt begab
sich Friedrich Wilhelm über Wolfenbüttel nach Braun-
schweig, wo er den 31. Juli mit 1800 Mann unter dem Jubel
der Bewohner seinen Einzug hielt. Hier fand die kleine, er-
mattete Schar die erste Rast, während die Bürger den Wacht-
dienst übernahmen und viele Jünglinge sich entschlossen den
Schwarzen zugesellten. Mit den Seinigen ruhte er unter
freiem Himmel vor dem Petrithore, da, wo jetzt eine Eiche
gepflanzt ist. Tief bewegt durch die Wechselfälle des Lebens
war er noch einmal durch die Reihe der Zimmer im Schlosse
gewandert, in denen er als fröhliches Kind gespielt hatte.
Jetzt war er Mann geworden, der Vater tot, ein trotziger
Feind hatte sich im Lande gelagert, und mit dem kommenden
Morgen sollte er den Feuerschlünden desselben sein Häuflein
gegenüberstellen. Von Celle nahte Reubel mit 5000 Mann!