1900 -
München [u.a.]
: Franz
- Autor: Müller, Johannes
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
6 Der Bau und die Oberflächengestalt Mitteleuropas.
ist. Auch in der oberen Kreide bildet die Rheinlinie die ungefähre Grenze
zweier verschiedener Ausbildungsweisen, die sich auch in der Tektonik der
betreffenden Gebirgsketten bemerkbar machen. Während im Westen die
Kreide in gleicher Weise wie die Juraformation stark gefaltet ist, sindeu
sich die cretacischen Schichten im Osten vielfach wagrecht in Becken
zwischen den älteren aufgerichteten Schichten abgelagert. Das untere
Tertiär nimmt in gleichmäßiger Ausbildung am Aufbau der ganzen
Voralpen teil, und zwar als Nummulitenkalk und als Flysch, ein System
von Mergeln, Schieferthonen und Sandsteinen. Aber auch das untere
Tertiär ist im Westen weit stärker, bis zu Höhen von drei km und darüber,
gefaltet als im Osten, wo es nur niedrige Vorketten bildet. Das Gleiche
gilt von der aus jungtertiärem Gestein (oligocäne und miocäne Molasse)
bestehenden nördlichsten Randzone, die in der Schweiz noch zu ansehnlichen
Bergketten aufgetürmt ist, in Bayern und Oesterreich dagegen nur aus
Alpenschuttablagerungen von mäßiger Höhe besteht. Die Betrachtung
des Gebirgsbaues der Alpen führt also nicht nur zu dem Ergebnis,
daß der Faltungsprozeß in denselben früh begonnen und sich häufig
wiederholt hat, sondern auch zu der bis jetzt noch nicht genügend
beachteten Thatsache, daß die Entwickelung der beiden großen Hälften
des Gebirges vielfach unabhängig von einander vor sich ging.
3. Bewässerung.
Zu derselben Zweiteilung des Gebirges in die West- und die
Ostalpen gelangt man auch bei der Betrachtung seiner fließenden
Gewässer. Die Anordnung der Wasserläufe, die vor allem durch
die Aufeinanderfolge der Aufrichtung der einzelnen Gebirgsteile bestimmt
wird, ist in den Westalpen infolge des Auftretens von Doppelreihen
von Zentralmassiven eine ganz andere als in den Ostalpen, die
sich im wesentlichen in zwei oder mehrere parallele Reihen zerlegen.
In den französischen und Schweizer Alpen finden wir lange, vielfach
gewundene Thäler nach Westen, die gewöhnlich den einzelnen Zonen
eine Strecke weit als Längsthäler folgen, um dann mit scharfer Biegung
die nächste Zone zu durchbrechen (Durauce, Jsere, Aar :c. :c.), dagegen
kurze Thalspalten mit sehr starkem Gefäll nach Italien zu. Die Ostalpen
dagegen sind reich an ausgezeichneten Läugsthälern, die durch ein kurzes
und enges Querthal den Fluß aus dem Gebirge entlassen und an deren
Oberlauf sich viele parallele, senkrecht zum Hauptgebirgskamm verlaufeude
Querthäler anschließen (Inn, Salzach, Drau ?c. ?c.). Für die Quer-
thäler der Ostalpen ist der Stufenbau, der durch den Wechsel von
Gesteinen verschiedenen Härtegrades bedingt ist, eine charakteristische Er-
scheinung.
Außer der Fülle an fließenden Gewässern ist den Alpen auch ein
großer Seenreichtum eigen; derselbe hat seinen Grund einesteils in der
verwickelten Tektonik des Gebirges, andernteils in dem mit dem nieder-
schlagreichen Klima zusammenhängenden Auftreten zahlreicher Gletscher