1907 -
Breslau
: Priebatsch
- Autor: Clemenz, Bruno, Urbanek, Rudolf, Pfeiffer, Reinhold
- Hrsg.: Priebatsch, Felix
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Schlesien
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Schlesien
- Geschlecht (WdK): koedukativ
9
Überhaupt ist die Südfront liebevoll ausgestattet. Humor und
naiv-derber Sinn haben hier eine Anzahl origineller Figuren
eingefügt. Unter dem Dach- und Gurtgesimse laufen zwei schmale
Friese hin mit Darstellungen aus der Menschen- und Tierwelt:
Szenen aus dem Volksleben, Kämpfe, Jagd- und Fabelbilder
zeigen, daß man einst Kunst und Humor zu verbinden wußte!
Die Neuzeit hat dem noch einiges hinzugefügt, indem 1892 auf
den alteu Konsolen zwischen den Fenstern zwölf Sandsteinfiguren
aufgestellt wurden, welche darstellen: Stadtsoldat, Stadtschreiber,
Ratsherr, Schösse, Vogtsknecht, Steinmetz, Kaufherr, Mönch,
Bürgerin, Bürger, endlich über dem Eingange zum Schweidnitzer
Keller: einen Zecher und eine keifende Frau. Auch das religiöse
Moment ist vertreten in den Heiligenfiguren: Johannes der
Täufer, Elisabeth, Barbara, Andreas, Lorenz und Christophorus.
Die Westseite ist am einfachsten gehalten. Die ruhigeren
Flächen atmen den Geist der Renaissance. Der Erker im
Südwesten ist nur angedeutet. Auch das Portal ist ein Werk
der Renaissance, darüber befindet sich das steinerne Wappen,
das Kaiser Karl V. der Stadt verlieh.
Der Ratsturm schließt den herrlichen Bau würdig ab.
Er erhebt sich auf dem westlichen Joche des nördlichen Schiffes,
zuerst quadratisch, dann nach oben in ein Achteck übergehend,
schlank mündet er in einen luftigen Aufsatz, der die zarte
Stimmung des ganzen Bauwerkes würdig krönt. Der Hanptteil
des Turmes stammt noch aus dem 15. Jahrhundert. —
Überblicken wir noch einmal das Ganze:
Das Gebäude, wie es im 15. Jahrhundert heranwuchs,
gliederte sich deutlich in drei Teile: 1. das Amtshaus im
Ostflügel, 2. das Kaufhaus mit der Front nach Süden und
3. das Turmhaus im Westen. Der größeren Zierlichkeit des
Ostflügels hält der ruhigere Westflügel mit dem wuchtigen
Aufstieg im Turm die Wage, und der Südban führt von der
geschmückten, beweglichen Gotik hinüber zur vornehm gehaltenen
Ruhe des westlichen Renaissanceteiles.
j Altersgraue Farbentöne geben dem Ganzen einen würdigen,
ernsten Grundcharakter, aber in die Höhe gewandt, erblicken wir
lebhaftere Töne bis zu dem Rot des Turmes und den buuteu
2