1889 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Tromnau, Adolf
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
271] Die deutschen Kolonieen im geographischen Unterrichte. 7
Wanderungs-Bureaus aufs schmählichste ausgebeutet und ausgesogen,
so daß auch die persönlichen Vorteile und Erfolge deutscher Arbeit
im Auslande sehr in Frage gestellt waren.
Die neueste deutsche Kolonialbewegung bezweckte nun außer dem
Schutz des deutschen überseeischen Handels auch die praktische
Lösung der Auswandererfrage, indem sie dem Strom der deutschen
Auswanderung gesunde und nutzbringende Abzugskanäle eröffnen
wollte. Leider ist letzteres ohne Erfolg gewesen. Die deutschen
überseeischen Besitzungen taugen samt und sonders nicht zur An-
siedelung deutscher Auswanderer, zur Anlage von Ackerbaukolonieen,
zur Niederlassung von Handwerkern :c., weil das tropische un-
gesunde Klima den dau ernd en Aufenthalt deutscher Auswanderer
nicht gestattet. Demgemäß könnten wir, streng genommen, auch
nicht von deutschen „Kolonieen", sondern nur von deutschen
überseeischen Schutzgebieten und Besitzungen reden. Denn
unter einer Kolonie versteht man im engeren Sinne eigentlich ein
solches auswärtiges Machtgebiet eines Volkes, in welches Teile
seiner eigenen Bevölkerung als Ansiedler auswandern. Solche
Kolonieen hat England in Nordamerika, Südafrika, Australien und
Neuseeland. Doch hat sich der Name „Kolonie" nun einmal für
jene deutschen Besitzungen eingebürgert und wird daher auch hier
fürderhin dafür gebraucht.
Im weiteren Sinne unterscheidet man neben Besiedelungs-
kolonieen aber auch Handels- und Betriebskolonieen.
Diese letzteren beiden Arten der Kolonisation wird nun Deutsch-
land in seinen Kolonieen im Auge haben müssen.
Handelskolonieen entstehen da am ersten, wo natürliche
Produkte in reichem Maße vorhanden sind und eine Bevölkerung,
welche diese Produkte kennt und sie gegen andere Gegenstände,
meist europäischen Ursprungs, auszutauschen geneigt ist. In dem
Maße nun, als dieser Handel an Bedeutung gewinnt, wird sich
die Zahl der Faktoreien mehren, und Einfuhr und Ausfuhr werden
steigen. Der Kolonisator muß und kann sich aber mit diesem
Ergebnis allein nicht zufrieden geben. Denn um sich den gegen-
wärt igen Vorteil des Erlöses zu sichern, wird der Eingeborne
die im Handel verlangten Rohprodukte ohne Rücksicht auf deren
Fortbestand ausrotten, wie anderseits der überseeische Kaufmann
ohne Rücksicht auf diesen Umstand das Produkt aufkaufen wird,
ohne für dessen Erhaltung auch in der Zukunft Sorge zu tragen.