1907 -
Münster i.W.
: Aschendorff
- Autor: Lennarz, Gottfried
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Landschaftsbilder aus dem Böhmerwalde.
alten ausgebleichten Stämme liegen sieht, in traurigem
weißleuchtendem Verhack die dunkeln Wasser säumend.
Rechts treibt die Seewand einen mächtigen Granitgiebel
empor, Vlockenstein geheißen; links schweift sie sich in
ein sanftes Dach herum, von hohem Tannenwald bestan-
den und mit einem grünen Tuche des feinsten Mooses
überhüllt.
Da in diesem Becken buchstäblich nie ein Wind weht,
so ruht das Wasser unbeweglich, und der Wald und die
grauen Felsen und der Himmel schauen ans seiner Tiese
heraus wie aus einem Ungeheuern schwarzen Glasspiegel.
Uber ihm steht ein Fleckchen der tiefen, eintönigen Him-
melsbläue. Man kann hier tagelang weilen und sinnen,
und kein Lant stört die durch das Gemüt sinkenden Ge-
danken als etwa der Fall einer Tannenfrucht oder der
kurze Schrei eines Geiers.
Oft entstieg mir ein und derselbe Gedanke, wenn ich
an diesen Gestaden saß: — als sei es ein unheimlich
Naturauge, das mich hier ansehe - tiefschwarz — über-
ragt von der Stirn und Braue der Felsen, gesäumt von
der Wimper dunkler Tannen - drin das Wasser regungs-
los wie eine versteinerte Träne.
Rings um diesen See, vorzüglich gegen Bayern ab,
liegen schwere Wälder, manche nie besuchte einsame Tal-
krümme samt ihren Bächlein zwischen den breiten Rücken
führend, manche Felsenwand schiebend mit den tausend
an der Sonne glänzenden Flittern, und manche Wald-
wiese dem Tagesglanze einen schimmernden Versamm-
lungssaal des mannigfachsten Wildes unterbreitend.
Dieses ist der eine der zwei oben bemerkten Punkte.
Lasset uns nun auch zu dem andern übergehen! Er
ist auch ein Wasser, aber ein freundliches, nämlich das
leuchtende Band der Moldau, wie es sich darstellt von
einem Höhenpuukte desselben Waldzuges angesehen, aber
etwa zehn Wegestunden weiter gegen Sonnenaufgang.
Durch die duftblauen Waldrücken noch glänzender, liegt
es geklemmt in den Talwindungen, weithin sichtbar, erst