1907 -
Münster i.W.
: Aschendorff
- Autor: Lennarz, Gottfried
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
Die deutschen Ostseeländer. 115
Europas Natur und seine Geschicke sich gestalten müssen,
wenn dieses Flachbecken in wenig höherer Lage über dem
Meeresspiegel ein weites, von einem großen Hauptstrom
durchfurchtes Tieslaud bildete, in welchem ein weiter
Kreis umgebender Länder nicht nnr den Mittelpunkt
seiner Gewässer, sondern auch seiner Interessen finden
müßte. Die Ostsee entscheidet die reiche Gliederung der
Völker und Staaten Nordosteuropas und bringt Ruß-
lauds weite Räume in unmittelbare Berührung mit dem
atlantischen Kulturkreis. Nicht nur Rußland, sondern
alle baltischen Länder haben erst durch die Ostsee eine
von Fenstern durchbrochene Fassade, einen Ausblick auf
den Weltmarkt, einen Zutritt für die frische Lust des
Weltverkehrs empfangen. Naturgemäß atmen gerade
die östlichern Häfen mit besonderer Begier den
ozeanischen Verkehrszug ein. . . .
In der alten Hansestadt Lübeck, der vormaligen
Herrin des Ostseehandels, ist noch heute der Eindruck der
Geschlossenheit des Verkehrsgebiets der Ostsee besonders
lebhaft. Und in der Tat kann man, auch wenn man das
ganze Ostseegebiet ius Auge faßt, uicht verkennen, daß
die Geschlossenheit dieses Meeres nicht nur die Natur
seiner Gewässer, ihren Salzgehalt, ihre Widerstandskraft
gegen die Vereisung, ihre Bewegungsfähigkeit unter dem
Pulsschlag von Ebbe und Flut beschränkt, sondern auch
ihr Verkehrsleben nach Zeit, Raum und Lebhaftigkeit ein-
engt. Wiewohl die deutsche Ostseeküste reichlich doppelt
so lang ist, als Deutschlands Anteil am Nordseeufer, ist
letzterer ihr in der Schiffszahl beinahe vierfach, in der
Kopfzahl des Seevolkes sechsfach, in der Tonnenzahl
der Schiffe achtfach überlegen. Die Handelsmarine
der deutschen Ostsee steht — um von Hamburg ganz zu
schweigen selbst hinter der Bremer Handelsflotte an
Bemannung und Tonnengehalt weit zurück. . . .
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