1913 -
München
: Seybold
- Autor: Murawski, Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
3. Unter den Singhalesen*.
Die Singhalesen sind große Liebhaber von Tanz und Musik, beides
allerdings in Formen, die wenig nach unserem Geschmacke sein würden.
Die wichtigsten Instrumente sind Pauke und Tam-Tam, deren Kalbsfell
aus Leibeskräften mit hölzernen Keulen bearbeitet wird, außerdem Rohr-
pfeifen und ein sehr einfaches Streichinstrument mit einer einzigen
Saite. Wenn ich abends in der Nähe des Rasthauses den Lärm dieser
ohrzerreißenden Werkzeuge vernahm und demselben nachging, traf ich
in der Regel vor einem Feuer unter einer Palmengruppe einen Trupp
von einem halben oder ganzen Dutzend brauner nackter Kerle, die sich
mit weißen, gelben und roten Strichen phantastisch bemalt hatten und in
den wunderlichsten Kapriolen umhersprangen. In weitem Kreise hockte
eine andächtige Volksmenge dicht gedrängt umher und verfolgte diese
grotesken Kunstleistungen mit Aufmerksamkeit. Um die Weihnachtszeit
wurden diese abenteuerlichen ,,Teufelstänze“ häufiger und erhielten be-
sondere religiöse Bedeutung. Die Hauptkünstler waren dann mit bunten
Federn abenteuerlich verziert, trugen ein paar Hörner auf dem Kopfe
und hatten einen langen Schwanz angebunden, ein besonderes Vergnügen
der lieben Jugend. Springend und johlend zog jetzt öfter ein ganzer
Trupp solcher Dämonen unter Musikbegleitung auch hei Tage durch
das Dorf, während die nächtlichen Trinkgelage manches Mal zu etwas
bedenklichen Festen ausarteten. Eine besonders buddhistische Feierlich-
keit hatte am 19. Dezember der Häuptling des benachbarten Dorfes
Dena Pitya veranstaltet. Ich war als Ehrengast eingeladen und wurde
nachmittags in feierlichem Aufzuge abgeholt. Ein ganzes Dutzend alter
kahlgeschorener Buddhapriester in gelbem Talar empfing mich unter
den Wipfeln eines ungeheuren feierlichen Feigenbaumes und führte
mich unter wunderlichem Gesänge in den Tempel, der mit Girlanden
zierlich geschmückt war. Hier wurde mir das große Buddhabild, reich
mit duftenden Blumen geschmückt, gezeigt und die Bedeutung der
Wandmalereien erklärt. Dann wurde ich auf einen Thronsessel geführt,
der dem Tempel gegenüber unter einer schattigen Bananengruppe er-
richtet war, und nun begann die eigentliche Vorstellung. Ein Musikchor
von fünf Tam-Tam-Schlägern und ebensovielen Flötisten begannen einen
Lärm auszuführen, der „Steine erweichen“ konnte. Zugleich erschienen
auf zwölf Fuß hohen Stelzen zwei Tänzer, die eine Reihe der wunder-
* Haeckel, Ernst, Indische Reisebriefe. Paetel, Berlin.
98