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1. Geographisches Quellenlesebuch der außereuropäischen Erdteile - S. 119

1913 - München : Seybold
Zelt um das Instrument bilden, während ich an der vom Wind abgekehrten Seite auf dem Bauche lag, um durch eine kleine Öffnung das Thermometer abzulesen. Es war nur 9,5° Kälte, aber Westsüdwestwind in Stärke Nr. 8, d. h. halber Sturm. Das abwärts führende Tal, Sele-nang, lag jetzt am Nachmittag in tiefem Schatten. Durch seine Mündung hindurch erblickt man ein Riesenmeer erstarrter Bergesquellen, steile Felsen mit tiefen Tälern, keine ebenen Stellen, keine Vegetation, nur ein Labyrinth von Bergen, ein viel kräftigeres, ausgeprägteres und wilderes Relief, als ich je in Tschang-tang gesehen hatte. Im Westen versperren naheliegende Partien des Pablakammes die Aussicht. Der Paß, auf dessen hügeligem Sattel wir uns jetzt befanden, heißt Sela-la oder Se-la und erreicht die bedeutende Höhe von 55o6 m über dem Meere. Ich sah deutlich, daß er in der Hauptkette liegen mußte, die weiter östlich die bekannte Spitze Nien-tschen-tang-la am Südufer des Nam-tso oder Tengri-nor trägt, und von einigen wenigen Europäern und Punditen schon über- schritten worden ist. Sie ist eine der hauptsächlichsten und groß- artigsten Wasserscheiden der Erde, denn von ihren Nordabhängen strömt das Wasser nach den abflußlosen Seen der Hochebene, von den südlichen aber nach dem Indischen Ozean! Nachdem ich in größter Hast mit blaugefrorenen Händen das Pa- norama gezeichnet und die Namen, die der Führer mir mitteilen konnte, eingetragen hatte, eilten wir die teilweise mit Schnee bedeckten Geröll- abhänge auf der Südseite des Passes hinunter. Im Talgrund mit seinen Eisstücken stiegen wir wieder zu Pferd und begegneten drei berittenen Tibetern, die acht unbenützte Pferde vor sich hertrieben. Sowie sie uns erblickten, schlugen sie eine andere Richtung ein und machten einen großen Umweg, um uns auszuweichen. Vermutlich gehören sie zu einer großen Räuberbande, die hier droben mit ihrer Beute auf un- gebahnten Wegen entwischen wollte. Es war zu schön, an diesem Abend endlich in der Wärme der Lagerfeuer zu sein! Unter schweigendem Nachdenken schweift der Blick von den Felskämmen, die der Mond hell bescheint, bis in die schattige schwarze Tiefe des Talgrundes, wo nur Wölfe in ihren Höhlen hausen. Mir war zumute, als gehöre das alles mir, als sei ich an der Spitze siegreicher Legionen erobernd in dieses Land eingezogen und hätte alle Widerstandsversuche besiegt. Welch glänzende Legionen! Fünfundzwanzig zerlumpte Kerle aus Ladak, zehn magere Gäule und etwa zwanzig abgetriebene Yaks! Und dennoch glückte es mir! 119
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