1913 -
München
: Seybold
- Autor: Murawski, Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
In der Gasse, die auf den Sok hinausführte, saßen zunächst Töpfer;
die verkauften flache Tonschüsseln mit Deckel, schlanke Henkelkrüge
mit eingebrannter schlichter Ornamentik, Feuertöpfe, enorme bauchige
Wasserbehälter, winzige Öllämpchen von tausendjähriger Form, alles
Gefäße, wie sie, so schien es Monika, dem Haushalt der Semiramis ge-
dient haben mochten, ihrer Gestalt und Ausführung nach. Dann folgte
eine lange Reihe der Korbflechter. Da lag manch hübsches Geflecht
von bunt gefärbten Weiden, flache Körbe zumeist, die zum Aufträgen
der Schüsseln dienten, und die spitzen Kuskussudeckel in allen Größen, bis
zu meterhohen. Etwas weiter auf dem Platze draußen saßen Händler billiger
imitierter Schmuckgegenstände europäischen Fabrikats, nach den klassischen
maurischen Silberarbeiten roh in Zinn gegossen, die beliebten Smaragden
und Korallen durch Glas und Wachs ersetzt. Da kauerten die Ärmsten der
Armen in dichtem Gedränge, eine anspruchslose Eitelkeit um wenige
Kupfermünzen befriedigend. Dann kamen die Apotheker, die saßen
nicht schutzlos auf der Erde; ein kleines, vielgeflicktes zweiseitiges
Zelt beherbergte sie und all den Kram der Wunderkräuter, des heilsamen
Tees, der seltenen Gewürze; auch Sepiaknochen gab es da, zum Reinigen
der Silberwaren, auch Seifenwurzel zum Waschen der schönen weißen
Haiks. Zelte hatten auch die Barbiere; die hatten europäische Rasier-
messer zu 16 Pf. das Stück, die nicht erheblich schlechter wurden, auch
wenn man sie gelegentlich benutzte, um Igel, die beliebten Leckerbissen
der Mauren, von ihren Stacheln zu befreien. In all den Zelten wurde
eifrigst rasiert. Das Opfer lag auf der Erde, den Kopf auf den Knieen
des Barbiers. In einer Ecke der Stadtmauer, dem ärgsten Gewühle ent-
rückt, bot ein Mann sonderbar weiße Holztäfelchen feil, sauber poliert
und einige davon mit zierlichen Kerbschnitten am Rande. Ein Koran-
spruch, in brauner Farbe aufgetragen, prangte am Kopfe. Das waren
die Schreibhefte maurischer Schulkinder, und der freie Raum des Tä-
felchens diente zum Kopieren des Spruches. An einer höher ragenden
Stelle stand eine Gruppe verhüllter Landfrauen, die schweigend und
regungslos das Werk ihrer Hände, bunte wollene Haiks, vor sich hinge-
breitet hielten. Einige von ihnen entfalteten schöne gewobene Teppiche,
deren Farben weithin in die Sonne leuchteten. Gegen das Zentrum des
Platzes zu befanden sich die Stände der Lebensmittel: Eier, Honig in
Krügen, denen ein Stück von einem Kaktusblatte als Kork diente, länd-
liche Brote, Datteln, Felle, all die kleinen Reichtümer der Landbewohner,
die nur diesen Tag jede Woche zur Stadt kamen, um ihre bescheidenen
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