1913 -
München
: Seybold
- Autor: Murawski, Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
kurze Weile sind die Wilden wie erstarrt, aber bald kommen sie zu sich.
Sie begreifen, daß Tod und Vernichtung in den Flammenrohren der
Fremden lauert, und noch schneller, als sie uns angegriffen, suchen sie
ihr Heil in der Flucht, und die Verfolgten werden jetzt die Verfolger.
Mein Blut kocht, und wilder Haß gegen die scheußlichen menschlichen
Aasgeier, die dieses Land bewohnen, übermannt mich. Ich verfolge sie
stromaufwärts bis zu ihren Dörfern und treibe sie Hals über Kopf in die
Wälder hinein, verwüste ihre Elfenbeintempel und lege in fliegender
Hast Feuer an ihre Hütten. Dann versenke ich ihre Kanus in der Mitte
des Stromes.
Wir haben fast die Besinnung verloren und sehen in jedem menschen-
ähnlichen Wesen gleich gehetztem Wild einen Verfolger. Fast sind
wir noch im Herzen des dunklen Erdteils und doch schon beinahe auf-
gerieben; jeder Tag kostet uns zwei oder drei Leute. Die Stunde voll-
ständiger Erschöpfung, wo wir uns wie Lämmer von den Kannibalen
werden hinschlachten lassen, steht nahe bevor. Aber Erlösung und Buhe
kommt. Der letzte große Zufluß hat die Breite des Lualaba auf vier
Meilen erweitert. Wir stoßen auf eine Reihe von Inseln, die sich in-
mitten des Stromes befinden, alle mehr oder weniger langgestreckt und
zusammenhängend, und zwischen ihnen teilt sich der Lualaba in Kanäle.
Wir verlassen das Hauptufer und verbergen uns in diesen Kanälen und
sind vorläufig in Sicherheit.
,,Allah“, rufe ich meinen fast schon verzweifelten Leuten zu, „hat
uns diesen Zufluchtsort beschert. Bismillah, ihr Männer, und dann
vorwärts! “
Aber am zweiten oder dritten Tag fließen die Kanäle diagonal und
bringen uns den Wilden am Festland wieder zu Gesicht. Mit Trommel-
getöse und Hörnerklang kommen sie auf uns zu, offenbar gar nicht
daran denkend, daß wir unser Leben so teuer wie möglich verkaufen
werden. Die blödsinnigen Zauber und absurden Fetische verleihen ihnen
Unverwundbarkeit — bilden sie sich ein. Sie greifen uns mit einer Un-
verfrorenheit an, die zu sagen scheint: „Es hat keinen Zweck für euch,
sich zu wehren; ihr könnt eurem Schicksal nicht entgehen. Menschen-
fleisch! Heute werden wir Menschenfleisch haben.“ Dann stürzen sie
mit der blinden Wut des Krokodils auf ihre vermeintliche Beute zu und
halten sich in ihrer Raserei für unbesiegbar.
Und was geschieht? Ich antworte ihnen mit dem Mut der Verzweiflung
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