1913 -
München
: Seybold
- Autor: Murawski, Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Wir zogen unsere Fausthandschuhe an, die ausschließlich zum Bauen
von Schneehütten angefertigt waren. Sie hatten lange Stulpen, die
festgebunden werden, um den Schnee am Eindringen in den Ärmel zu
hindern. Jeder mit einem wohl einen halben Meter langen Messer be-
waffnet, begannen wir unser Werk. Der zu diesem Zweck ernannte
Baumeister steckte zuerst einen Kreis als Bauplatz ab, und dieser Linie
entlang trat er eine vier Zoll tiefe Rinne, die dann die Schneeblöcke
der Grundmauer zu stützen hatte. Wir andern schnitten Blöcke heraus,
und der Baumeister setzte sie auf. Eine Iglu — so nennen die Eskimos
ihre Schneehütten — wird spiralförmig, ungefähr wie ein Bienenkorb,
und immer der Sonne entgegen gebaut, das heißt von rechts nach links.
Die Blöcke müssen eine Länge von zwei Fuß und eine Höhe von andert-
halb Fuß haben und vier Zoll dick sein. Die größte Schwierigkeit besteht
darin, die Hütte nach oben zu verjüngen und das Dach aufzusetzen.
Eine gerade Mauer kann natürlich jeder Stümper auf richten. Da das
Thermometer minus siebenundfünfzig Grad Celsius zeigte, wurde keiner
zur Faulheit verführt, und die Arbeit schritt rasch voran. So schnell wie
möglich machte sich der Koch des Abends innerhalb der Mauern an
seine Pflichten, die darin bestanden, nicht allein das Essen herzustellen,
sondern auch die Hütte zu erwärmen; und als ein angenehmer Essen-
geruch zu uns herausdrang, ging die Arbeit außen geradezu mit rasender
Schnelligkeit vorwärts. Das letzte Werk war, alle Spalten abzusuchen,
durch die das Licht herausschimmerte, und sie gut zu verstopfen. Dann
sahen wir noch nach den Schlitten, damit alles pünktlich verschnürt
und zugedeckt wäre, und zwar nicht zum mindesten wegen der Hunde,
die große Diebsgesellen waren. Die Ärmsten hatten sich im Schutz der
Hütte so gut es ging im Schnee zusammengerollt und bei der grimmigen
Kälte die Schnauze unter den Schwanz gesteckt. Die Hütte war fertig,
wir warfen einen letzten Blick in die große Stille hinaus, auf den in
erblassendem grünlichem Schimmer leuchtenden Himmel und die immer
heller funkelnden Sterne. . . . Dann klopften wir uns den Schnee
von den Kleidern und schlüpften in die Hütte hinein. Und das muß
ich sagen: auf der Welt hat es wohl an jenem Abend kaum irgendwo
glücklichere Menschen gegeben als uns vier in dem warmen, behaglichen
Raum um das dampfend heiße Essen — und Wand an Wand mit
der großen Schneewüste und dem klingenden Frost.
Nach der Mahlzeit kamen die Tabakspfeifen an die Reihe, und nur in
dem Gedanken, daß wir am nächsten Morgen neuen Strapazen entgegen-
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