1851 -
Weimar
: Verl. des Geograph. Inst.
- Autor: Kiepert, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Geschichtsatlanten
- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Raetia) umschlossen, daher innerhalb desselben viele Römi-
sche Städte- und Castellruinen, worunter bemerkenswert!)
Celeusum Kelllieim, Iciniacum Itziny, Aquileja Aalen, Bri-
gobanne Rräunlinyen, Suinalocenna Sälchen bei Rotten-
hurif, Clarenna Cannstadt, Aurelia Aquensis Raden, Aquae
Mattiacae Wiesbaden *). An dieser Rötnergränze bildete sieh
aus Theilon der Markomannen, Hermunduren, Chatten und
andern kleineren Völkern um 200 n. Chr. am Main das Volk
der Alamannen, welche den, schon mehrmals durchbroche-
nen, zuletzt um 280 von K. Probus nochmals befestigten Limes
gänzlich überwältigten und die Agri Decumates besetzten.
#. Is«. Nördliche oder niederdeutsche Sweben.
Diesemnonen, welche in dem von ihnen ausgegange-
nen Bunde der Sweben den ersten Rang behaupteten.
Die Langobarden, S wardon en und Varinen, ihre
nördlichen Nachbaren an der untern Elbe.
Die Lugier (auch Lugiones und Lygii geschrieben),
ein in mehreren Stämmen, von denen namentlich die Burier
in der Geschichte auftreten, in den Ebenen der obern Oder
und Weichsel ausgebreitetes Volk.
Die Vandi'len oder Vandalen mit den Silin gen
(von denen wahrscheinlich der Name Silesia. Schlesien her-
rührt), das westliche Hauptvolk der Lugier bildend ; ihr Name
wurde, vielleicht nur von den Römern auf die ganzen nord-
swebischen Volksstämme ausgedehnt.
Die Bürgenden (Burgundiones), Helveconen, Ru-
gier, Sciren, Guttonen oder Gothen (Guthai, Guthans
in ihrem eignen Dialekt), äusserste Gränzvölker dieses Stam-
mes gegen Aesten und Wenden; erst spät in die Geschichte
einlretend, obwohl die Guttonen nahe der Bernsteinküste (im
jetzigen Ostpreussen) schon im 4. Jahrh. v. Chr. den see-
fahrenden Griechen von Massilia (Pytheas), noch näher seit
Chr. Geb. den Römern auf der Landhandelsstrasse von Car-
nuntum und andern Donauplätzen aus bekannt geworden
waren, und die Sciren schon im 1. Jahrh. v. Chr. mit den
das Getische Reisch am Pontus bekriegenden Keltischen Völ-
kern genannt werden. Diese beiden scheinen in älterer Zeit
die einzigen Deutschen Völker auf der Ostseite der Vistula
gewesen zu sein, die im Allgemeinen den Römern als die
Gränze Germaniens galt. Von den weiter östlich in die
sarmatischen Ebenen sich ausbreitenden Bastarnen und
Peuc inen ist wenigstens noch zweifelhaft, ob sie Germanen
oder Kellen waren.
§. K. Seit Mitte des 2. Jahrh. n. Chr. aber, wo die
Bewegungen Deutscher Völker gegen Süden begannen, sehen
wir, ausser den Burgun den (welche sich westlich wendend,
um 280 die Alamannen aus den Main- und Mittelrhein-
Gegenden verdrängen) alle die genannten Völker sich weiter
östlich den Karpaten und den untern Donauländern zuwenden,
und hier die einzige transdanubianische Provinz der Römer,
Dacien, sowie die zerstreuten Sarmatischen Völkerschaften
ihrem Audrange erliegen. So behaupten die Vandalischen
As tin gen und die Gothischen Gepiden schon um 170,
die Sarmaten verdrängend, die Südkarpatenlandschaft, ein
Jahrhundert später die Ebenen an der Theiss bis zur mittlern
Donau. Die Gothen, um 200 an der Nordseite der Kar-
paten bis zur untern Donau ausgebreitet, beherrschen um 350
*) Das übrige Germanien enthielt keine Städte, selbst, bei der meist
zerstreuten Lage der einzelnen Höfe (wie noch jetzt in Westfalen) keine
eigentlichen zusammengebauten Dörfer, und die wenigen Namen von
snlrhen, welche aus Römischen Kriegsziigen und Handelsstrassen bei
Ptulem ins aufbewahrt sind, sind fast durchaus verschollen und eine genaue
Bezeichnung ihrer Lage unmöglich, daher ihre Ansetzung auf den meisten
Karten des alten Germaniens nur auf witikührliclien Hypothesen, meist
auf geglaubten Ähnlichkeiten mit nocli bestellenden Ortsnamen beruht.
Diess zur Rechtfertigung ihrer Auslassung auf unserer Karte.
schon das ganze frühere Sarmatien bis zum Tanais; um die-
selbe Zeit werden die Ebenen an der untern Donau von den
ihnen verwandten T a i f a 1 e n und Victohalen, die Gegenden
an der Theiss und der mittlern Donau bis zum Inn aufwärts
von den Langpbarden, Herulern (Nachkommen der
frühem Swardonon) und Rugiern besetzt, welche Völker
dann von diesen Sitzen aus im 4. und 5. Jahrh. sich über
die Römischen Gränzprovinzen südlich der Donau ergiessen
und hier der Römischen Herrschaft ein Ende machen.
Die Flachländer Von Osteuropa
Und Inner-Asien.
(§armatia und Scytliia.)
#. 188. Diese ungeheuren Ebenen, welche die frühere
griechische Zeit (Herodot), die sie zuerst durch den Handel
der griechischen Colonien im Pontus kennen lernte, unter
dem Namen Europa’s mit zusammenfasste und die auch
bis in die spätesten Zeiten des Alterthums immer nur höchst
unvollkommen gekannt waren, sind in ihrer östlichen (asia-
tischen) Hälfte, so wie in ihrem südlichen Küstenstriche am
Pontus, der Natur des Landes gemäss immer nur Wohnsitze j
nomadischer, Viehzucht — namentlich Pferdezucht — treibender
Völker gewesen, wie sie es wesentlich noch jetzt sind. Die
jetzigen Bewohner aber, in der ganzen Ausdehnung dieses
Gebietes ungefähr seit dem 5. Jahrh. n. Chr., gehören last
durchaus dem aus dem Nordosten hier eingewanderten Tii r k i—
sehen oder sogenannten Tatarischen Stamme an (Cha-
saren, Tataren, Kosaken, Kirghisen, Usbeken u. s. w.), mit
Ausnahme einiger, erst im spätem Mittelalter (12—13. Jahrh.)
eingewanderten und eine Zeitlang herrschenden Mongoli-
schen, so wie einiger älteren, theilweise bis ins 4. jahrh.
hinaufreichenden 0 s t f i n n i s c h e n oder Hunnischen Völ-
ker. Die sehr gewöhnliche Ansicht, dieselbe Nationalität auch
den Bewohnern, welche uns die alte Geschichte hier kennen
lehrt, beizulegen, — die nomadischen Scythen, Massageten,
Issedonen u s. w. für Mongolen oder Türken zu erklären, —
ist durchaus irrthümlich, und wird namentlich entschieden
widerlegt 1) durch die in neuerer Zeit bekannt gewordenen
Berichte chinesischer Historiker, denen zufolge die Mon-
golen bis in’s 12. Jahrh. noch in der Gegend des Baikal-See’s,
die Türken bis in’s 4. um den Altai wohnten, dagegen noch j
im 2. und 3. Jahrh. n. Chr. blauäugige und blondhaarige (zur
weissen, sog. kaukasischen Rasse gehörige) Völkerstämme
Theile des inneren Asiens inne hatten, 2) .durch die den ari- j
sehen Sprachen augehörigen (namentlich dem Persischen eng-
verwandten) Personen- und Stamm-Namen, welche uns von
Sarmaten, Scythen, Massageten u. s. w. in grosser Menge
überliefert werden; auch war das nomadische Leben selbst
einzelnen altpersischen Stämmen (Herod. I, 125), nicht allein
den innerasiatischen Völkern eigenthiimlieh.
#.18». Von diesen weitverbreiteten Arischen Nomaden-
Völkern sind aber wohl zu unterscheiden die sesshaften,
ackerbautreibenden, Städte (oder doch Dörfer) bewohnenden
Völker, welche die grossen, fruchtbaren Stromgebiete des
osteuropäischen Flachlandes, in geringer nördlicher Entfer-
nung vom Pontus anfangend, vom Anbeginn aller Geschichte
her inne hatten, und wenn sie auch ursprünglich gleichfalls
aus dem innern Asien stammen, doch erst in jenen Wohn-
sitzen zu der Nationalität sich ausgebildet haben, die sie noch
jetzt bewahren, der S 1 a wi s c h e n*). Nur weil die Griechen
*) Vgl. Schafarik's Slawische Alterthüiner. Leipz. 1816. Btt. 1.
zuerst die Scythen und später die Sarmaten als Bewohner
der Politischen Küste, und zum Tlieil als Beherrscher des
inneren Landes kennen lernten, wurde der g e o gr a p h i sc he
Name Scythiens und Sarmatiens auf jene inneren unvollkom-
mener gekannten Völker übertragen, so dass in Römischer
Zeit zu den Sarmaten sogar alle Völker gerechnet werden,
weiche jenseits der Germanischen (östlich von Karpaten und
Vistula bis an die nördliche Ostseeküste) bekannt wurden.
Die genauere Gesichts- und Sprachforschung der neueren
Zeit lehrt uns hier, ausser den ganz nördlichen Finnen
(Fenni bei den Römern)*), zwei, obgleich sehr eng ver-
wandte Hauptstänune unterscheiden :
1) Der kleinere nördliche Stamm der Aisten (von den
Deutschen, ungewiss ob mit einheimischen Namen so benannt,
daher römisch Aeslui**), bei den altern Griechischen Seefahrern
’Sigtkum, ’Jlittiovfi), von den alten Slawen P rus sen ge-
nannt, von dem uns als einzelne Völkerschaften im Altertlium
bekannt werden: an der Bernsteinküste die Cot inen (Aotr-
aivoi, wahrscheinlich die Gudden, wie die Samogeten noch
. jetzt von den Liltauern benannt werden, am Fluss Guttalus),
nördlicher die Osier, von denen die Insel Osericta oder Osilia
(Uesel) benannt ist, und an den gegenüberliegenden Küsten
als nördliches Volk die Carbones oder Curones (Caven,
daher Curland und Curisches Haff■***), ferner im Innern
südlich die Galindae und Sudini (in den noch jetzt Ga-
linden und Sudauen genannten Landschaften Ostpreussens)
und nördlicher die Veltae, d. i. die Retten in der nach
der deutschen Form (Witzen) veränderten einheimischen
Benennung Litwa, Ljétuw'a, woher der Name Littauer, womit
jetzt der ganze Volksslamm gewöhnlich bezeichnet wird.
2) Der Slawische Stamm, erst den spätesten Römern
unter dem allgemeinen Namen der Serben, den sie noch
in grosser Ausdehnung führen, bekannt; bei den Deutschen
seit ältester Zeit nur Wenden (althochd. Winidä) genannt,
welchen Namen — Venedae — auch die Römer beibehiel-
ten ; zu denen wahrscheinlich auch die östlicher im Fluss-
gebiet des Dnjepr wohnenden Budín i und Na vari oder
Neuri zu rechnen sind, welche in denselben Wohnsitzen
schon den ältesten Griechen vom Pontus her bekannt geworden
warenf), nicht weniger auch die Stämme im jetzigen süd-
lichen Russland, welche als leibeigene, zum Ackerbau ver-
wendete Knechte der Scythen, von den Griechen nur mit
dem übertragenen, ihnen nicht eigentlich zukommenden Na-
men der S/.vttai yuapyoi oder tiyotrjqts benannt wurden.
#. loo. Neben diesen Slawischen Stämmen wird als
herrschendes Volk an der Nordküste des Pontus in ältester
Zeit das Volk der Cimmerier genannt, von welchem die
Cimmerische Meerenge (Bosporus C.) den Namen behielt,
*) Fenni ist die deutsche Benennung und Übersetzung des einhei-
mischennanicne Suomolahien, d. i. Sumpfbewohner, den die Ureinwohner
des jetzigen eigentlichen Finnlands im Osten des baltischen Meeres noch
führen; zu demselben Stamme gehören aber auch die Urbewohner des
nördlichen Scandinaviens, von den Römern unter den deutschen Namen
Hellusier (d. i. Felsbewohner, wieililleviones) und Sitonen gekannt.
**) Doch werden von den Römern , sowie von einigen neueren For-
schern, die A es tu er selbst den Germanen beigezählt.
***) Wahrscheinlich erst zur Zeit der grossen Völkerwanderung so
weit südlich vorgerückt, früher weiter nördlich, indem Aestische Stämme
bis zum finnischen Meerbusen wohnten, wo Ehslland von ihnen benannt
ist, dessen jetzige Bewohner, wie die von Livlind, südlich vorgedrun-
gene finnische Stämme sind.
t) Herod. Iv, 105,168, wo die Budinen ausdrücklich alsein blauäugiger
und blonder, sesshafter Stamm und als Nactibarn der Neuren in einer
sumpfreichen Gegend (Sümpfe von Pinsk und llokitno) angegeben werden,
wo sie 6 Jahrhunderte später auch Ptolemaeus kennt; in der Erzählung
von dem übrigen llalli fabelhaften Zuge des Darius gegen die Scythen,
setzt sie Herod. (Iv, 21) freilicli viel weiter östlich, an den mittleren
Lauf des Tanais, aber offenbar irrthümlich.