1845 -
Halle
: Anton
- Autor: Leo, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Kaiser und sein Hofstat probirten den Krönungsact im
Pallaste und studirten ihn ein, wie eine Comödie *), und
hielten sie sodann am 2ten December öffentlich in der
Kirche zu Unsrer Lieben Frauen von Paris.
Wenn wir jezt die Beschreibung jenes äußerlich so
prachtvol eingerichteten Festes lesen, welche Gedanken kön-
nen in uns aufsteigen, als die, daß auch die Kirche einen
Tag ihrer Ernidrigung feiern solte, wie das Reich im De-
putationshauptschluß, als sie mit ihrem Segen das Un-
recht weihete, mit welchem der schlaue corsische Edelman
an der Stelle der Nachfolger des heiligen Ludwig einher-
trat. Freilich ist auch hier wie bei dem Deputationshaupt»
fchluße eine Notwendigkeit der Dinge anzuerkennen, und
wie einerseits der Kirche so wenig als dem Reiche die Strafe
für solche Acte von der Vorsehung erlaßen worden ist, hat
sich doch auch hier, wie bei dem Reiche bewa'rt, daß denen
die Got fürchten alles zum Besten dienen muß. Dem Manne
aber der in diesen Dingen mit der Kirche sein politisches
Spil trib, ist jede scheinbar höhere Staffel des Glückes ein
Schrit näher zu seinem Falle geworden. Wie er dies Spil
meinte, zeigte er sofort. Als der Pabst nach der Krönung
noch blib, um nun die Hofnungen, die er auf den Act
für die Kirche gebaut, zu verwirklichen — feite wenig, daß
man ihm sagte, er sei nun in Frankreich eine übcrflüßige
Person und könne gehen wohin er wolle.
°) Eine eigne Schwierigkeit machte noch, daß der Kaiser und die
Kaiserin nur durch einen Civilact getraut, also in den Augen der
Kirche nicht Eheleute waren. Um für die Kirche dies Hindernis
zu beseitigen ohne öffentliches Scandal zu geben, ward um Mitter-
nacht vor der Krönung noch in einem kleine» Cabinet neben Na-
poleons Schlafzimmer die pricstcrliche Einsegnung dieser Ehe durch
den Cardinal Fesch nachgeholt, ohne welche Pius nicht darein
willigen wolte, daß Napoleon Josephinen als seinem ehelichen Ge-
mahle die Krone aufsezie.