1845 -
Halle
: Anton
- Autor: Leo, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Göthes, ist zugleich für die Nation eine Schmachsäule zu
ewigem Andenken.
Betrachten wir das Leben, was sich in dieser Dich-
tung darstelt, so findet man das treueste Abbild der
geistigen Atmosphäre, in der sich in jener Zeit der größte
Teil der vornemern deutschen Welt bewegte. Für die
Nation kein Herz, für nationale Freiheit und Würde
kein Sin und an den Etat so wenig Gedanke als mög-
lich. Der Etat hatte in Deutschland seine sitliche Würde
verloren. Er erhielt überal die geistige Hauptdirection
vom Auslande, hatte keine selbstständigen Ehren und
gewärte keinen Trost. Die Folge war, daß ihn diejeni-
gen, die die Mittel hatten, sich ihr Privatleben auszu-
schmücken, nur ansahen, als einen zimlich gleichgültigen
Ramen, an den man sein Herz so wenig als möglich
zu hängen habe; der doch gut sei, in wiefern er im
Wesentlichen Ruhe und Ordnung erhalle und das auf-
recht, was man damals Gesittung zu nennen ansieng,
damit die Leute, die täglich ein Desert verzertcn, in
Sicherheit ihre Mandeln bei einem Glase Wein knacken
könten. Oeffentliches Unglük ward im Allgemeinen so
ruhig als möglich, ward als Etwas erfaßt, wobei man
Privattugenden ruhiger Reflexion und verständiger Wol-
tätigkeit oder Dankbarkeit zeigen könne. Auch zeigte sich
die algemeine Statsordnung noch dadurch woltuend, daß
es durch sie möglich ward, ausgezeichnetere Stellungen
in der Geselschaft zu gewinnen, Geheimerath zu werden
oder Oberst In dieser Weise sigurirte etwa noch der
Etat in den Rheinbundstaten Deutschlands — es war
mit Einem Worte die Satheit des Todes in die
öffentlichen Verhältnisse eingekert, und mit dieser Physiog-
nomie etwa blicken einen die Beziehungen an, welche je-
ner Roman beiläufig auf allgemeinere Verhältnisse nimt.
Geistige Lebensmotive sind in der Beziehung zu Volk und
Vaterland in jenem Romane gar keine, und das war
das Bild im Ganzen der höheren Geselschaft, so weit sie
ihre Bildung dem vorigen Jahrhunderte verdankt hatte.
Diese höhere Geselschaft hatte vor der französischen Revo-