1847 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
A. Morgenländische Völker.
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den Einen wie den Andern. Ja noch heutzutage haben die christlichen
Kopten mit ihren mohammedanischen Herrschern nichts gemein.
§. 23. Aegypten besaß schon in den ältesten Zeiten zahllose Städte
und Dörfer und eine hohe Civilisation. Wissenschaften, Künste und bür-
gerliche Gewerbe fanden daselbst Pflege, so daß man von jeher das Nil-
land als die gehcimnißvolle Wiege aller menschlichen Cultur angesehen
hat; — aber der Fluch des Kastenzwangs, geistiger Stillstand und Mangel
an freier Entwickelung, lastete ans der Nation und bewirkte, daß sie Jahr-
hunderte lang ans derselben Stufe blieb und daß andere Völker zur Voll-
endung bringen mußten, was jene begonnen. Die steifen im Dienste ei-
ner finstern Abgötterei verfertigten B i l d h a u er w er k e erlangten erst durch
die Griechen Freiheit und Schönheit; auch die Arzneikunde, Geo-
metrie und andere der Pflege des Priesterstandes anheimgegebene Kennt-
nisse wurden erst Lurch sie zu Wissenschaften ausgebildet. — Der ursprüng-
lich auf Sternendienst gegründete Cultus des Osiris, Serapis, der
Isis u. a., dessen tiefere Bedeutung nur den Priestern bekannt war, ar-
tete allmählig durch die Verehrung der den Planeten geweihten Thiere in
den gränelvollstcn Thierdienst aus (Stier Apis). Diese Entartung
machte sich auch in der Kunst bemerkbar, indem man die Göttcrbildnisse,
die anfangs Menschengestalt trugen, bald mit Thicrköpfen versah, bald ganz
in Thiergestalt darstellte. — Da die ägypt. Religion die Fortdauer der
Seele in der Unterwelt von der Erhaltung des Leichnams abhängig inachte,
so wurde bei ihnen die cigenthüinliche Sitte herrschend, die Körper der
Todten einznbalsamircn, um sic vor Verwesung zu schützen und sie
dann als Mumien tu schachtartigcn Gängen und Todtcnkammern, über
deren Eingänge man Pyramiden errichtete, aufzubewahren. Durch die-
sen Glauben erlangten die Priester, die als Todtenrichter die Gewalt hat-
ten, den Leichnam des Lasterhaften der Verwesung zu übergeben und da-
durch die Wanderung seiner Seele durch T h i c r l c i b c r herbeizuführen, sehr
große Macht. Sie standen dein Religionswescn vor, bekleideten alle Aem-
ter und Richterstcllen und waren die cinzigeit Pfleger der Wissenschaf-
ten, die sie durch eine g c h e i m e B i l d e r sch r i ft (Hieroglyphen) als
Sondergut ihres Standes festhielten. Diese Bilderschrift ist dreierlei Art:
hieroglyphische, hieratische und demotische. Die beiden crstern
trifft man auf den Obelisken oder vierkantigen ans einem einzigen Gra-
nitblockc gehauenen Spitzsäulen, die vor den Vorhalletr (Pylonen) der
Tempel aufgestellt waren, die letztere im bürgerlichen Leben gebrauchte findet
sich am häufigsten auf den atis der Wasserpflanze Papyrus verfertigten
Schriftrcllcn. Ulrich die kolossalen (riesenmäßigen) mit dem Cultus ver-
bundenen Bauwerke als Tempel, Pyramiden, Sphinxe u. dgl., die nur
dttrch die vereinte Kraft eines iin Dienste der Gottheit fröhnenden Volks
entstanden sein können, zetigcn vcit der hohen Macht des Pricsterstandes.
Die Mumien, die in bemalte Särge, Tücher und andere Stoffe gehüllt find,
findet man in den meisten Naturaliencabinettcn.— Bon den Obelisken haben
die Römer N nach Rom bringen lassen, wo sic jetzt noch aufgestellt sind; einer
(von Luxor) befindet sich in Paris. — In Entzifferung der Hieroglyphen hat
man in unsern Tagen glückliche Versuche gemacht.
Weber, Geschichte.
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