1847 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium, Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Die Begründung der neuen Zustände unter Kurl V. 345
darauf drang und eine von ihm selbst auf gesetzmäßigem Wege begründete
Reform der Kirche verhieß. Die neuen Ansichten gewannen immer festern
Boden und größcrn Anhang. Wittenberg wurde bald der Mittelpunkt
deutscher Bildung. Hicher strömte die strebsame, lernbegierige Jugend aus
allen Gegenden des Vaterlandes; von hier ließ Luther von Zeit zu Zeit
einen Theil seiner Bibelübersetzung oder eine derbe Streitschrift aus-
gehen; hier begründete Melanchthon die neue Glaubenslehre durch
sein weit verbreitetes Buch loci conimunes. Die auf der Wartburg be-
gonnene und in Wittenberg nach sorgfältiger Berathung im Freundeskreise
vollendete lutherische Bibelübersetzung erschien vollständig im Jahr
1534 ,,cin Meisterstück deutscher Sprache und deutschen Gemüths, die
Grundlage der bibelfesten Sprache und Gesinnung vieler Mcnschenalter."—
Luthers Streben wurde mächtig gefördert durch die Humanisten und die
ganze gebildete Jugend. Diese stellten die Reformation als Kampf für
die geistige und politische Freiheit Deutschlands dar uiib gaben die Gegner
durch Witz und Satire dem Hohn Preis; die V o lks l i t e ra tur (s. Anh.)
mit ihren Spottliedern und Fastnachtsspielen schlug sich auf die Seite
Luthers, den Hans Sachs als Wittenberger Nachtigall, die den
Frühling bringe, begrüßte. War cs unter solchen Umständen zu ver-
wundern, daß Mönche und Weltgeistlichc in Masse sich der neuen Lehre
zuwandten, die Gleichgesinnten um sich schaarten und deutschen Gottesdienst
einrichteten? daß Fürsten sich von der Macht der Bewegung fortreißen
ließen und das Beispiel des Kurfürsten von Sachsen und des ent-
schlossenen, thatkräftigen Philipp von Hessen nachahmten? — Allen
aber that es der aufgeklärte und gebildete Bürger st and an Eifer für
die neue Lehre zuvor. Wo der Volkswille galt, wie in den Reichs-
städten, siegte daher die Reformation unbedingt; oft stimmte die versam-
melte Gemeinde aus eignem Antrieb einen Psalm oder ein neues Kirchen-
lied an und gab dadurch den Anstoß zur Abstellung der Messe. Wo man
dem evangelisch gesinnten Volke die Kirchen versagte, hielt es seine An-
dacht im Freien, auf Friedhöfen, auf Feldern und Wiesen. — War die
religiöse Begeisterung nicht wirksam genug, so halfen andere Beweggründe.
„Den Fürsten wurden Kirchengüter, den Priestern Weiber, den Völkern
Freiheit geboten." — Daher machte die Neuerung reißende Fortschritte
und selbst in den süddeutschen Ländern (Bayern, Oestreich u. a.) >vo man
durch Censur, Verfolgung, Pranger, Kerkerstrafen und Hinrichtungen
,,die lutherische Ketzerei" abzuhalten suchte, konnte das refornlatorischc Stre-
den nicht ganz unterdrückt werden.
§. 426. Ursprung d er Spaltung in Deutschland. Papst
Adrian Vi., früher Professor in Löwen und Karls V. Lehrer, ein ge-
lehrter und wohlmeinender Herr, war den Mißbräuchen der Kirche nicht
minder gram als der lutherischen Neuerung. Er steuerte der Simonie,
stellte den Ablaßvcrkauf ein, beschränkte den Luxus der Hofhaltung u. dgl.
Dadurch erregte er das Mißfallen seiner italienischen Umgebung, die den
hohen Sinn und die feine Bildung seiner Vorgänger in ihm vermißte und
für sein strenges, sittliches Leben keine Anerkennung hatte. Zur Freude der
leichtsinnigen Römer starb er schon im folgenden Jahr und Clemens Vii.,
ein Medicäer, wurde sein Nachfolger. Dieser kluge, gebildete Fürst, dem