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1. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 786

1847 - Leipzig : Engelmann
786 Altdeutsche Dichtung. ri) Die gothische Dietrichsage. Den umfassendsten Sagenkreis scheinen die Gothen, das bildungsfähigste und für die Aufnahme des Fremden empfäng- lichste der deutschen Völker, besessen zu haben. Mittelpunkt eines solchen Sagenkrei- ses war der Gothenkönig Hermanrich, der als hundertjähriger Greis bei An- kunft der Hunnen sich selbst den Tod gab, um den Untergang seines Volks nicht zu überleben. (8.214) Noch umfassender war die Dietrich sage, die sich an den Ostgothenkönig Theoderich (§. 221) anlehnt. Dietrich von Bern (Ve- rona) aus dem Geschlechte der Amelungen und von Hildebrand erzogen, sucht, von dem römischen Kaiser Ermenrich vertrieben, mit Hülfe der Hunnen, bei denen er als Landesflüchtiger mit seinen Gothen weilt, sein Königreich wieder zu erobern, verliert aber in der Schlacht vor Raben (Ravenna), obgleich Sieger, so viele Leute, daß er wieder umkehren muß und erst später in den Besitz seines Reiches gelangen kann. Seine Jugcndthaten, sein Aufenthalt bei den Hunnen, seine Wirk- samkeit bis ins höchste Alter, wo er auf unbekannte Art der Welt entrückt ward, boten reichen Stoff für Volksgesänge, die sich lange erhielten und weit verbreiteten. Als Theile der Dietrichssage können wir die zweite Hälfte des Nibelungen- liedes, das im 13. Jahrhundert nach den noch vorhandenen Volksgesängen bear- beitet wurde, so wie das Bruchstück des schönen Hildebrandlieds betrachten. Das Letztere, das dem 8. Jahrhundert angehört, besingt den stampf des alten Hildebrand mit seinem Sohn H adubr an d. Nach homerischer Weise fragen sich die beiden Ritter bei ihrer Begegnung um Namen und Herkunft, worauf sich Hildebrand seinem Sohn zu erkennen gibt; dieser glaubt ihm aber nicht, sondern hält den Vater für todt und verlangt den stampf. Das Gedicht ist, wie die älteste Poesie überhaupt, alliterirend, d. h. mehre der ineist betonten Wörter beginnen mit demselben Anfangsbuchstaben, eine Eigenthümlichkeit, die das Volk besonders liebt, wie noch h. z. T. manche Sprüchwörter beweisen. b) D i e burgundische Siegfriedsage. Einen zweiten, weit verbrei- teten und umfangreichen Sagenkreis bildet die Siegfriedsage, die dem ersten Theil des Nibelungenliedes zum Grunde liegt. Wie die Dietrichsage dem Süden angehört, so ist die Siegsriedsage im Nordwesten, im Niederland zu suchen. Diejenigen Ausleger, die in der Siegfriedsage historische Begebenheiten finden wollen, schreiben sieden fränkischen und burgundischen Volksstämmen zu und finden in den blutigen Käm- pfen der Merowinger (§. 223), in der Blutrache der Brunhilde wider die Fredegunde und in dem Untergänge dieses Kvnigsgcschlcchts durch die aus Flandern stammenden Karolinger die ge- schichtlichen Momente für die dichterische Sage, während andere eine allegorische Deutung vor- ziehen und die scand in arische Sigurdsage damit in Verbindung bringen. Auf den burgundischen König Günther und Hagen „den Degen", die in dem Nibelungenliede eine so bedeutende Rolle spielen, weist noch ein anderes Bolks- gedicht hin, das wir jedoch nur aus einer Umarbeitung kennen — das Gedicht von Walther v. Aquitanien, das der Mönch Eckehard in St« Gallen (ff 974) in lateinischen Hexametern verfaßt hat. Walther entflieht mit Hildgunde vom Hofe Attilas, wo sich beide als Geisel befanden. Auf dem Wege durch Burgund wird er von Günther und Hagen angegriffen. Eine Reihe blutiger Kämpfe werden gefochten, aus denen alle schwer verwundet und verstümmelt hervorgehen und dann sich ver- söhnen. e) Anderweitige Sagenstoffe. Die germanischen Volksgesänge vor und während der Wanderung sind in ihrer ursprünglichen Gestalt für uns verloren ge- gangen, wenn gleich nach einer Angabe bei Eginhard Karl der Große die- selben sammeln ließ. Den Geistlichen waren die profanen Lieder, in denen noch
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