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1. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 858

1847 - Leipzig : Engelmann
858 Deutschlands klassische Literatur. Kunsturtheile Lessings, setzt aber nicht selten unklare Empfindungen den lichtvollen Behauptungen jenes scharfen Denkers entgegen. In den mit Goethe herausgegebe- nen Blättern von deutscher Art und Kunst drückte er zuerst in einer Sprache voll sinnlicher Glut seine Bewunderung für Ossian, für Naturdichtung und für eine Ursprache aus, wo noch keine Scheidung zwischen niedern und hohen Ausdrücken, zwischen dichterischen und prosaischen Wörtern eingetreten sei; er er- klärt aller Kunst und Regel den Krieg, nur die Bolkspoesie mit ihrer kräftigen Sinnlichkeit, mit ihrer bilderreichen Phantasie, mit ihren ungestümen Leidenschaften und Naturtrieben hat in seinen Augen Werth. Diese Vorliebe für die schwunghafte, kunstlose Volksdichtung führte ihn zur Bearbeitung des pocsicoollen Buches, Stim- men der Völker, einer Sammlung von Volksliedern, worin die vorherrschenden Stimmungen, Seelenzustände und Charaktere der verschiedenen Nationen mit über- raschender Treue und Einfalt aufgefaßt und durch taktvolle Wahl und feine Wand- lungsgabe dargestellt sind. Unter denselben Eindrücken verfaßte Herder das an- regende, wirksame Buch vom Geiste der hebräischen Poesie (1782), das seine Gabe der Auffassung und Auslegung meisterhaft beurkundete. Dieses Buch war sein Lieblingswerk; er wollte dadurch die ihm so theure Bibel der Jugend ans Herz legen, daher auch die übertragenen Stellen „Zweck und Frucht" sind, das Uebrige nur „Schale". Auch die Uebersetzungen morgenländischer Sagen, Dichtungen und Sprüche, die in den Palmblättern mitgetheilten lehrreichen Erzählungen des Orients; die in den Paramythien zu Parabeln umgebildeten Mythen der Griechen, die Nachbildung einiger Stücke der griech. Anthologie und die spanischen Romanzen vom Cid, in denen sich Herder's Uebersetzungs- kunft und eigene Dichtergabe berühren, sind in diesem Geiste verfaßt. Wie Herder in Dichtungen das Fremdartigste und Fernliegendste ergriff und überall auf die An- fänge und das Ursprüngliche zurückging, so suchte er mit „prometheischer Himmel- stürmcrei" alle Verhältnisse des Lebens und alle Wissenschaften geistig zu durch- dringen und sich die verschiedenartigsten Kenntnisse anzueignen. In dem Tage- buch, das er während der Seereise, die ihn von Riga nach Frankreich führte, (1769) entwarf, durchkreuzen sich die kolossalsten Vorsätze, Pläne und Projekte, die ebensowohl den hohen Flug seines Geistes und seine unermeßliche Ruhmsucht als seine Ueberschätzung und Selbsttäuschung beurkunden. Philosophie und Urgeschichte waren die Hauptgebiete, aus denen sich sein dichtcrischschaffender Geist bewegte. Das geistreiche Schristchen über den Ursprung der Sprache, als deren Quelle er die menschliche Vernunft aufstellte, die vielangefochtene, mit orientalischem Geist verfaßte älteste Urkunde des Menschengeschlechts, worin er mit dem Zorn und in der Sprache eines Propheten gegen die dürren Auslegungen der Schöpfungsgeschichte eifert und eine poetisch allegorische Deutung ausstellt, die den Rechtgläubigen mißfiel, sind nur Vorstudien zu seinem größten und berühmtesten Werke Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. In diesem poestereichen Buche sucht Herder aus der Beschaffenheit der Erde und der Natur eine Fortbildung oder Stufenleiter der Geschöpfe festzusetzen, aus der Organisation des Menschen, dessen Vernunftfähigkeit und dessen äußerer Bildung seine Anlage zur Humanität und Religion herzu- leiten und ihn als Mittelglied zweier Welten darzustellen; dann baute er mit Phantasie und orienta- lischem Schmuck ein kühnes Gebäude von urweltlichen Traditionen auf, von denen Wissenschaften, Künste, Regierungen u. s. w. hergeleitet werden und stellt die Religion als älteste und heiligste aller ererbten Traditionen dar. Dabei dient ihm Mosc's Schöpfungsgeschichte, die er durch kühne, geniale
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