1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Das römische Reich unter den Imperatoren.
jedoch die Geschichte. Unter Hadrian schrieb Suetonius Tranquillus
eine Geschichte der zwölf ersten Imperatoren von Julius Cäsar an ge-
rechnet, ohne Eindringen in den Geist der Zeit, aber mit angemessener
Verwendung der einzelnen biographischen Denkwürdigkeiten. Groß da-
gegen steht Tacitus, der Schwiegersohn Agricoles, als Geschichtschreiber
da. Er schrieb, als Trajan's glückliche Regierung den Gemüthern Ruhe
verschafft hatte, über die Ereignisse und Verhältnisse seit dem Tode des
Auguftus. Tief ergriffen von den Greueln unter Domitian, legt er
in die gedrungene, von aller Breite sich fernhaltende Darstellung seinen
Schmerz und drängt in ihr zugleich die Ergebnisse einer scharfen Beobach-
tung und einer reichen Erfahrung zusammen. Er sieht das Sinken
römischer Herrlichkeit und findet keinen Trost und keine Hoffnung. Mit
Besorgniß blickt er auf die Germanen und ihm bangt vor der Zeit,
wo das römische Reich keinen Trajan mehr haben und mit seiner ent-
nervten Bevölkerung einen Angriff der rohen, aber unverdorbenen Völker
zu bestehen haben wird. Doch in.die tiefste Tiefe, daß er in dem Hei-
denthume und seiner unvermeidlichen Entwicklung die Duelle des Nebels
sähe, vermag er nicht zu dringen. Von Judenthum und Christenthum
besitzt er nur die äußerlichste Kunde, und es fehlt jede Ahnung von der
Bedeutung, die beide für die Geschichte der Menschheit haben. In ähn-
licher Weise wie Tacitus, wie er voll Unmuth und wie er ohne Trost,
steht Iuvenal mit seinen unter Hadrian geschriebenen Satiren der Zeit
gegenüber. Die Beredtsamkeit, einst der Gipfel der römischen Litera-
tur, hatte im monarchischen Rom ihren eigentlichen Boden, die Ver-
handlungen der Gesetzgebung und des öffentlichen Rechtes eingebüßt,
und hatte ihre Anwendung vorzugsweise in den Berathungen des Se-
nates und dem Geschäfte der Sachwalter. Ihre einzigen Werke von
öffentlicher Bedeutung sind die panegyrischen Reden zum Lobe der Herr-
scher, wie eine auf Trajan von dem jüngeren Plinius, dem Neffen und
Adoptivsöhne des älteren, verfaßt ist. Eine sehr große Ausbreitung ge-
wann aber die Bemühung für rednerische Ausbildung, und es entstand
unter den Händen der damit beschäftigten Rhetoren eine Literatur der
Rhetorik, die aus Unterweisungen und aus Mustern und Uebungsstücken
bestand. Quintilianus aus Calagurris in Spanien, mit seinem Wirken
der Zeit der Flavischen Imperatoren angehörig, und Annäus Seneca,
der Vater des gleichnamigen Philosophen, sind Vertreter dieser beiden
Gattungen. Eigentliche Unterrichtsanstalten mit besoldeten Lehrern in
Rom, wo eine den Namen Athenäum führte, sowie in den bedeutendsten
Städten Italiens und der Provinzen gestiftet, pflegten diese Kunst und
wurden die Träger einer Bildung, welche eine Ausgleichung zwischen
Italien und den Provinzen bewirkte und so an der Auflösung des ge-
schlossenen Römerthums mitarbeitete.
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