1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Das römische Reich unter den Imperatoren.
die Versuchung nahe, seine Macht in Angelegenheiten kirchlicher Lehre,
Verfassung und Zucht, die den heidnischen Vorgängern fremd geblieben
waren, zu gebrauchen. Theodosius ließ dagegen die Kirche nach den in
ihr lebenden Grundsätzen und auf den von ihr selbst gezeichneten Wegen
entscheiden, sicherte den Entscheidungen die Unabhängigkeit von äußerer Ge-
walt und erhob eben diese Entscheidungen zu Staatsgesetzen, um denjeni-
gen , welche dem Ansehen der Kirche widerstrebten, den Schutz zu
entziehen. Wie fest bei Theodosius die Anerkennung des der Kirche
gebührenden Ansehns wurzelte, zeigte sich auf eine ihn hoch ehrende
Weise in der Unterwürfigkeit, die er dem Erzbischöfe Ambrosius von
Mediolanum bewies, als dieser an ihm ein Vergehen zu rügen und zu
strafen hatte. Zn Thessalonice war auf seinen Befehl im Jahre 390
zur Bestrafung eines Ausstandes, ungeachtet der gegebenen Zusicherung
der Verzeihung, unter dem in der Rennbahn versammelten Volke ein
Blutbad angerichtet worden. Darauf verwehrte der Erzbischof dem mit
unschuldigem Blute befleckten Herrscher den Eingang in die Kirche und
dieser unterwarf sich der kirchlichen Büßung, worauf die Lossprechung
erfolgte. Die höchste irdische Macht beugte sich vor der himmlischen
und die dem Christenthum gewordene Herrschaft offenbarte sich glänzend
durch Zügelung des Mißbrauchs der Herrschergewalt.
38. Als Theodosius, der letzte eigentliche Imperator, nicht lange
nach der Besiegung des Eugenius starb, war die Anordnung getroffen,
daß von den Söhnen seiner ersten Gemahlin Arkadius die Herrschaft
des östlichen, Honorius die des westlichen Reiches führen solle. War
es mit dieser Theilung auch nicht anders, als mit allen früheren ge-
meint, so wurde sie doch zu einer immerwährenden. Die Verschiedenheit
der in beiden Reichshälften herrschenden Nationalitäten, der griechischen
und der lateinischen, förderte die Absonderung der Regierungen und die
Verschiedenheit der Geschicke, welche beiden beschieden waren, beschränkte
jede der Negierungen auf die Angelegenheiten des eigenen Gebietes.
Der Hof zu Constantinopel nahm immer mehr einen morgenländischen
Charakter an, alle Regierungsthätigkeit zog sich in den Palast des
Herrschers zurück und die Erhebuug der griechischen Sprache zur Amts-
sprache vollendete die Entfernung von dem römischen Wesen. Dabei
schritt im westlichen Reiche die von andringenden und eindringenden
Germanen ausgehende Auflösung so unaufhaltsam fort, daß dasselbe
von dem östlichen aufgegeben wurde und seinerseits keinen Einfluß auf
das östliche auszuüben im Stande war. Der Gedanke an die ehemalige
Einheit wurde von dem Hofe zu Constantinopel nur in sofern festge-
halten , als er bei gegebener Gelegenheit über die Nachfolge im
westlichen Reiche verfügte und selbst, da es vernichtet war, sich das
Recht auf den Besitz der dortigen Provinzen noch zuschrieb, ohne