1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Das römische Reich unter den Imperatoren-
Entscheidung, welcher durch ein von der Staatsgewalt erlassenes Verbot
des öffentlichen Streitens über die Kirchenlehre Nachdruck gegeben wurde.
Die Anhänger des Eutyches, Monophyfiten genannt, dauerten aber fort
und gewannen namentlich in Mesopotamien und Syrien durch die Thä-
tigkeit ihres Lehrers Jakob Baradai, nach dem sie den Namen der Jako-
biten führten, einen festeren Bestand, dauerten auch in Aegypten un-
ter den Nachkommen der alten Aegypter, den Kopten, fort. Im Ver-
laufe dieser kirchlichen Kämpfe kam der Primat des Papstes vermöge
der vermehrten Anlässe, die er zu Entfaltung seiner Wirksamkeit erhielt,
zu um so deutlicherer Erscheinung, als die Trennung des römischen
Reiches in zwei Hälften der Anerkennung desselben im Osten keinen
Eintrag that und das unbefugte Eingreifen der Staatsgewalt jene
Wirksamkeit nur thatsächlich für eine Zeitlang schmälerte. Für die Be-
rufung der ökumenischen Synoden galt, wenn es auch nicht immer be-
obachtet wurde, die päpstliche Bewilligung als Erforderniß, wie sie für
die vierte auch von Pulcheria und Marcianus begehrt wurde. Den
Vorsitz auf denselben führten die päpstlichen Abgeordneten oder Legaten
und die an die Synoden gerichteten Schreiben bildeten Anhalt und
Richtschnur für Berathnng und Entscheidung, wie die Beschlüsse durch
die päpstliche Bestätigung allgemeine Gültigkeit erhielten. Ebenso wur-
den besondere Synoden, wie sie die Metropoliten beriefen, auch auf
Verordnung des Papstes gehalten und faßten sie Beschlüsse über Fragen
des Glaubens, wie dies in Afrika in der pelagianischen Angelegenheit
geschah, so gab die päpstliche Bestätigung auch ihnen die Gültigkeit.
51. In dem Zeitraum der großen kirchlichen Streitigkeiten tritt
auch die Abstufung der unter dem Papste stehenden kirchlichen Würden
deutlicher hervor. Wie die Kirche sich verbreitete und die Gegenstände
für die Thätigkeit ihrer Hirten sich mehrten, gelangte nicht allein das
Metropolitansystem zu vollständigerer Ausbildung, sondern es stellte sich
auch das Verhältniß des Patriarchates fest. Bei der Ausbildung des
Metropolitanverhältnisses begründete das höhere Alter eines Bischof-
sitzes ein Verhältniß der Oberaufsicht um so eher, als der Metropolitan-
verband sich auch zum großen Theile vermöge der Abstammung einer
Anzahl benachbarter Kirchen von einer älteren bildete. Naturgemäß
mußten demnach im Westen des römischen Reiches die Kirchen ursprüng-
lich der unmittelbaren Aufsicht des apostolischen Stuhles zu Nom unter-
worfen sein. Die Ausbreitung der Kirche forderte aber die Gründung
einer zwischen der bischöflichen und päpstlichen stehenden Würde, durch
welche der Papst die früher unmittelbare Aufsicht mittelbar übte. Die
einem Metropoliten untergebenen Bischöfe hießen dessen Suffraganen.
Indem so der römische Stuhl sich allmälig eines Theiles seiner Rechte
entäußerte, trat er zu verschiedenen Theilen des kirchlichen Gebietes in