1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
148 Das fränkische Reich bis auf Karl den Großen.
sich nun nach Odilo's Tode des bajoarischen Herzogthums bemächtigte
und Odilo's unmündigen Sohn Thassilo verdrängte. Doch neue Siege
der fränkischen Fürsten erzwangen die Auslieferung Landfrieds und Gri-
fo's, und Thassilo wurde unter Vormundschaft seiner Mutter Chiltrude
und unter fränkischer Hoheit Herzog in Bajoarien. Während so die
Nachkommen Arnulfs, indem sie sich befestigten, zugleich Erhalter des
Reiches wurden, zogen sie auch ein neues deutsches Volk in dessen Um-
fang. Die Friesen, einst nur das Land zwischen den Mündungsarmen
des Rheins bewohnend, hatten bei der Schwächung, welche die an den
Küsten wohnenden Sachsen durch die Wanderungen nach Britannien
erlitten, sich allmälig nach Osten längs der Küste bis zu der jütischen
Halbinsel ausgedehnt, und nach Südweften griffen sie bis zur Schelde hin
in das fränkische Gebiet hinein, indem Stämme, die einst den Franken
sich angeschlossen, zu ihnen übergingen. Es war daher für die Franken
ein Bedürfniß, ihre Unterwerfung zu versuchen. Pipin von Heristal
brachte in den Zeiten seiner unbeschränkten Macht das Land bis zum
nördlichen Rheinarm unter fränkische Hoheit. Die Eroberung mußte
aber von seinem Nachfolger wiederholt werden, weil der neue, au sich
unsichere Besitz in dem Kampfe Karls gegen das neuftrisch-bnrgundische
Reich, das die Friesen gegen Austrasien aufgewiegelt hatte, wieder ver-
loren gegangen war. Nur sehr allmälig gelang seitdem die Befestigung
des Besitzes und seine Erweiterung nach Osten. Die Bewahrung ihrer
alten Religion und ihrer Freiheit war den Friesen eines und dasselbe,
und sie leisteten daher dem Chriftenthum und der fränkischen Herrschaft
den hartnäckigsten Widerstand, indem die Abwehr eines jeden dieser bei-
den Dinge durch die Furcht vor dem anderen geboten war. Nachdem
Natbod, der westlich der nördlichen Nheinmündung als König geherrscht,
mühsam unterworfen worden und endlich gestorben war, sammelte jen-
seits Poppo die Feinde der Franken und des Christenthums zu neuem
Widerstand und Angriff, und ein neuer Feldzug, in welchem Karl gleich
Drusus von der See her eindrang, war nöthig, um das früher Ge-
wonnene zu sichern. Ganz außerhalb des Bereiches der fränkischen
Herrschaft lagen jetzt von den Germanen des Festlandes nur noch die
Sachsen. Wie mit ihnen, die das Reich von den nördlichen Slaven
schieden, fand mit den südlicheren Slaven, die an das thüringische und
das bajoarische Gebiet stießen, ein unsicheres Verhältniß statt, wie es für
ein geordnetes Reich uncivilisirten Nachbarn gegenüber nicht anders sein
konnte. Die Macht der Avaren war geschwächt, da um dieselbe Zeit,
wo im Süden die Bulgaren gegen sie aufftauden und ein neues Reich
gründeten, im Nordwesten die Tschechen und Morawen sich von ihnen
losrissen. Sie hatten in den Zeiten ihrer größten Macht die Bajoaren
an der Donau bis zum Ensflusse zurückgedrängt. Eine große Vereint-