1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
156 Das fränkische Reich bis auf Karl den Großen.
des Berges Cenisius und erzwang von dem überraschten Aistulph das
Versprechen, alle gemachten Eroberungen an den Papst herauszugeben.
Der Zug mußte im Jahre 755, da Aistulph nicht Wort hielt, vielmehr
nun den Ducat von Rom selbst angriff, wiederholt werden. Als jetzt
die Eroberungen dem Aistulph entrissen waren, wurden sie, da der Kai-
ser Italien aufgegeben hatte, dem Papste als dem wirklichen Inhaber
des Ducates von Rom, der in dieser Eigenschaft für Italien als Erbe
der vormals römischen Besitzungen erschien, durch den Sieger übergeben.
Was Pipin that, war also in Bezug auf das Gebiet des Ducates Rom
eine Wiedererstattung und in Bezug auf die anderen dem Longobarden-
könig entrissenen Eroberungen eine Schenkung. Auf die Gegenvorstel-
lungen oströmischer Gesandten erwiederte Pipin, er habe für den römi-
schen Stuhl und nicht für den Kaiser den Kampf unternommen. Die
Herausgabe verzögerte sich indessen so, daß bei Aistulph's Tode im
Jahre 756 der Papst noch nicht im Besitze der sämmtlichen ihm zuge-
sprochenen Gebiete war. Die Nachfolge war streitig zwischen Deside-
rius, dem Herzoge von Tuscien, und dem aus dem Kloster ausgetretenen
Rachis. Da Desiderius die Vollziehung des Vertrages zusagte, wirkte
der Papst für seine Wahl und bewog Rachis zur Rückkehr in das Klo-
ster. Doch bald verwickelten sich die Verhältnisse des Papstes und des
Longobardenkönigs von Neuem, indem der erstere sich mit den vom
Reiche wenig abhängigen Herzogen von Spoletum und Beneventum
verband, und zwischen diesen und dem Könige ein Krieg ausbrach.
Jetzt machte Desiderius, nachdem der Herzog von Spoletum gefangen
war, der von Beneventum sich in Hydruntum festgesetzt hatte, den Ost-
römern das Anerbieten, für sie Ravenna dem Papst zu entreißen, wenn
sie ihm durch eine Flotte von Sicilien aus den abtrünnigen Herzog be-
zwingen hülfen. Doch Pipin glich durch Unterhandlungen den Streit
aus und bewirkte die Vollziehung des Vertrages, und die Oströmer kamen
mit ihren Angriffen auf Ravenna und den Ducat zu spät. Das welt-
liche Gebiet des Papstes war vergrößert und gesichert, und durch den
von dem Frankenkönige gewährten Schutz war das Aufhören oströmischen
Einflusses erklärt, sowie das longobardische Reich zu einer Art von Ab-
hängigkeit verurtheilt.
17. Die fernere Gestaltung des Verhältnisses zu Italien und zu
der Kirche überließ Pipin seinem Nachfolger. Diesem blieb als fernere
Aufgabe die Sicherung der Ostgrenze des Reiches, wozu die Bezwin-
gung der von ihm, wie von vielen Vorgängern, ohne bleibenden Erfolg
bekämpften Sachsen gehörte. Ihm blieb endlich auch die eine Hälfte
der Aufgabe, die beiden dem königlichen Ansehen widerstrebenden Herzoge
von Aquitanien und Bajoarien zu beugen. Nach dem südlichen Gallien
hatte den Pipin gleich nach seiner Erhebung zum Könige die Absicht,