1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
nach dem Ende der Kreuzzüge.
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Den Sitz des römischen Stuhles aber verlegte er im Jahre 1309 Ln
die zum Gebiete des Hauses Anjou gehörige Stadt Avignon, und hier ist
derselbe wahrend eines Zeitraumes geblieben, den man in der Folge
nicht bloß wegen seiner Dauer die Zeit der babylonischen Gefangen-
schaft genannt hat. Es zeigte sich an dem Geschicke Bonifacius' Vih.
und des Papstthums die Folge des Mangels an einer die Kirche mit
weltlichem Arme beschirmenden Macht, wie das Kaiserthum zu sein
berufen war. Nur so viel Selbstständigkeit bewahrte der Papst in seiner
neuen Stellung, daß er auf dem in den Jahren 1311 und 1312 zu
Vienne gehaltenen fünfzehnten allgemeinen Concil die von Philipp ge-
forderte Verdammung Bonifacius' Viii. als eines Häretikers wegen
gänzlichen Mangels an Begründung ablehnen konnte.
8. Ein Versuch zur Herstellung des Kaiserthums wurde auch von
Albrecht nicht gemacht. Seine Thätigkeit ging in Versuchen auf, die
unmittelbare Macht seines Hauses durch Ländererwerb zu steigern, Ver-
suchen, welche wenig Erfolg hatten und hauptsächlich dazu dienten, die
Fürsten des Reiches von seinem Hause abermals abzuwenden. Seine
Versuche mißlangen in den Gegenden an der Nordsee, in Böhmen und
in Thüringen und hatten kleine vereinzelte Ergebnisse in Schwaben,
während in Helvetien eine schon begonnene Umwandlung von Reichs-
gebiet in habsburgischeö Stammgebiet unterbrochen wurde und Verluste
für das Haus, an welche sich in der Folge Verluste für das Reich
knüpften, sich vorbereiteten. An der Nordsee waren im Laufe der Zeit
die Landschaften Seeland, Holland und ein Theil Frieslands unter den
Grafen von Holland vereinigt worden. Im Süden stieß das vereinigte
Gebiet an die Grafschaft Antwerpen, die, auf der Grenze gegen das
französische Flandern gelegen, eine Markgrafschaft bildete und einen
Theil Flanderns an sich gezogen hatte, daß sie auf das linke Ufer der
Schelde hiuüberreichte. Im Osten lagen Brabant, das Gebiet des
Bisthums Utrecht und der alte See Flevo, der sich gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts durch Einbruch der Meereöfluten zu der großen
Bucht des Zuydersee's erweitert hatte. Nach Nordosten hin war die
Grenze lange eine unbestimmte wegen der eigenthümlichen Stellung
der friesischen Lande. In diesen bestanden ganz andere Verhältnisse,
als im übrigen Deutschland. Da die Friesen ihre Küste zu schützen
hatten, waren sie nie den Pflichten des Heerbannes unterworfen wor-
den, und deshalb blieben nicht allein hier mehr kleine Freie als ander-
wärts, sondern auch der Adel wurde nicht in Lehensverhältnisse ver-
flochten. Daher gingen die Grafenrechte hier nicht in Landeshoheit
-über. Dieselben wurden ausgeübt von den Grafen von Holland und
den Bischöfen von Utrecht, Münster und Bremen. Gerade die Unter-
ordnung der meisten friesischen Landschaften unter geistliche Fürsten