1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
434 Das römisch-deutsche Reich in den beiden nächsten Jahrhunderten
und Krönung eines Königs und bei Erledigung des Thrones verfahren
werden sollte, und bestimmte die Rechte und Pflichten der Kurfürsten.
Es find darin die sieben Wahlstimmen, wie sie bis jetzt geführt worden,
feftgeftellt mit der näheren Bestimmung, daß der Streit zwischen den
beiden wittelsbachischen und den beiden sächsisch-askanischen Linien zu
Gunsten der pfälzischen und der wittenbergischen aufhört. Die Wahl-
stimmen sind sodann an die Länder geknüpft, welche damals von deren
Inhabern regiert wurden, und diese Länder sind für untheilbare Reichs-
lehen erklärt, von denen sich die weltlichen nach dem Rechte der Erst-
geburt in männlicher Linie vererben. Den Kurfürsten ist der erste Rang
nach dem Kaiser zugesprochen. Zur Wahl eines Königs soll in Monats-
frist nach Erledigung des Thrones der Erzbischof von Mainz die Kur-
fürsten nach Frankfurt einladen, und die Versammelten, die Kurfürsten
selbst oder ihre Bevollmächtigten, wählen nach Stimmenmehrheit, worauf
die Krönung in Aachen durch den Erzbischof von Köln geschieht.
Während der Erledigung des Thrones haben die Kurfürsten von Pfalz
und Sachsen, jeder für einen bestimmten Theil des Reiches, das Reichs-
vicariat zu führen. Die Kurfürsten sind auch erhöht hinsichtlich der
Rechte, die sie in ihren Landen auszuüben haben. Außer den Regalien
der Bergwerke, der Münze und der Zölle find ihnen das Recht äs
non evocando und das Recht de non appellando beigelegt, wonach
ihre Gebiete den kaiserlichen Gerichten in der Art verschlossen sind, daß
keiner der Insassen vor kaiserliches Gericht gezogen werden, noch, mit
Ausnahme des Falles verweigerter Rechtshülfe, Berufung an ein kaiser-
liches Gericht eiulegen kann. Damit war das Erlöschen der königlichen
Gewalt, das in vielen Reichsgebieten stattgefunden, für die Kurlande
förmlich anerkannt. So ist der Uebergang aus der Lehenverfassung in
die Territorialverfassung vollendet, und da in den neben den Kurländern
bestehenden größeren Ländergebieten die Inhaber sich ebenfalls die Lan-
deshoheit, soweit sie dieselbe noch nicht hatten, mit Einschluß der Rechte
de non evocando und de non appellando, anzueignen wußten, blieb
bald für den König außer seinen Erblanden kein Boden, auf dem er
eine Macht auszuüben hatte, mehr übrig, als der Rest unmittelbarer
Reichslande, wo es kleineren Herren, namentlich den Reichsrittern, den
Nachkommen derjenigen, die bei Ausbildung des Nitterthums den Kriegs-
dienst in den Neichsvogteien übernommen hatten, noch nicht gelungen
war, die Landeshoheit zu erhalten. Es mußten daher, wie die Befug-
nisse des Kaisers sich schmälerten, für die das Reich betreffenden Ange-
legenheiten die Reichstage immer häufiger werden, zu welchen nun auch
Abgeordnete der Reichsstädte, da auch diese im Besitze von Landeshoheit
waren, zugezogen wurden. Es nahm nun auch die Sitte ein Ende, daß
das Reichsoberhaupt das Reich durchwanderte. Forderte einerseits die