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1. Viertehalb Jahrhunderte - S. 583

1856 - Freiburg im Breisgau : Herder
Kaiser Karl V. und die Kirchentrennung in Deutschland. 583 Luther, zu Eiöleben im Jahre 1483 geboren, früher dem Augustiner- kloster zu Erfurt angehörig, ein Mann von einer zu heftiger und ge- waltsamer Erregung geneigten Gemüthsart, von reichen Gaben des Geistes und unermüdlicher Arbeitsamkeit, hatte die im Klosterstande ihm dargebotenen ascetischen Mittel mit aller Kraft seines Charakters und unter den spannendsten Anstrengungen zu einem Kampfe gegen seine leidenschaftliche Natur verwendet, der ihn zwischen Verzagen und Ver- messenheit hin und her warf. Den Weg, sich von der Pein seines Zustandes zu befreien, fand er unter eifrigem Lesen der heiligen Schrift durch eine, wie ihm schien, aus ihr herzuleitende neue Ansicht von der Rechtfertigung des Menschen. Diese Ansicht ging dahin, daß der Mensch zum Behufe seiner Rechtfertigung nicht eigene Gerechtigkeit zu erstreben, sondern nur das Verdienst des Erlösers mittelst des Glaubens sich zuzurechnen und zu seinem Eigenthume zu machen habe, daß also der Glaube allein ohne die guten Werke die Vergebung der Sünden bewirke. Ehe diese Lehre sich entwickelt hatte und ihrem Urheber die Folgerungen, welche sie haben mußte, zum Bewußtsein gekommen waren, wurde der Kampf da- durch entzündet, daß Tetzel sich der Stadt Wittenberg näherte. Luther schlug, um zu einem wissenschaftlichen Kampfe über die Sache heraus- zufordern, 95 den Ablaß betreffende Thesen an die Thüre der Schloß- kirche, in welchen der Ablaß zwar nicht verworfen, aber neben Richtigem auch Irriges über denselben behauptet wurde. Obgleich das Meiste von dem, was Tetzel vorgeworfen wird, Erzeugniß eines später dichtenden Hasses ist, trat doch seinem Treiben genug Uugunst entgegen, um dem- jenigen, der gegen ihn auftrat, Beifall zu verschaffen. Noch günstiger wurde die Sache für Luther durch die Ungeschicklichkeit, mit welcher feine Gegner ihn behandelten. Papst Leo, der gleich seinen nächsten Vorgängern hinsichtlich der kirchlichen Angelegenheiten zu sorglos war und hinter dem alten Kaiser Mariw.ilian in Beurtheilung der Bedeu- tung des Streites zurückblieb, gab auf Verwendung des Kurfürsten Friedrich und der Universität Wittenberg zu, daß Luther, anstatt einer schon erlassenen Vorladung gemäß nach Rom zu kommen, sich vor dem theologisch gelehrten Legaten Cardinal Thomas von Gaeta verantworte. Dieser machte im Jahre 1518 zu Augsburg, wo eben ein Reichstag gehalten worden war, den Versuch, Luther zum Widerrufe zu bewegen. Luther berief sich von dem seiner Meinung nach übel unterrichteten Papste an den besser zu unterrichtenden. Neue Ausgleichungsversuche folgten, die zwar Erklärungen Luthers hervorriefen, daß er den Gehor- sam der Kirche nicht habe verletzen wollen, jedoch in der Sache nichts erreichten. Der Streit war indessen schon sehr verbreitet, da die Augu- stiner für Luther, die Dominikauer gegen ihn Partei nahmen. Schon vor der Augsburger Besprechung hatte Luther im Jahre 1518 auf einer Kiesel, Weltgeschichte. Ii. 38
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